Am Freitag erschien endlich das nachsynodale Schreiben Amoris Laetitia.
In Deutschland wurde es aus denselben Gründen mit Spannung erwartet, aus denen es dann in vielen Medien auch schnell als enttäuschend abgetan wurde.
Ich persönlich gehöre, wie viele andere mir bekannte Blogger auch, nicht zu den Menschen, die glauben, nach gerade mal drei Tagen Zeit zur Lektüre (in denen man zugegebenermaßen auch noch das eine oder andere zu tun hatte), ein 300-seitiges Schreiben kommentieren zu müssen.
Statt dessen möchte ich mich hiermit auf die Frage stürzen, welche Faktoren in Deutschland für die die Synoden begleitende Erwartungshaltung und gleichzeitig für die Enttäuschung nach dem Erscheinen des nachsynodalen Schreibens gesorgt haben.
Ich denke, das sind dieselben.
Es geht um die Frage: Warum und für wen wurden zuerst die außerordentliche und dann die ordentliche Synode einberufen, welche Fragen sollten dabei geklärt werden und welche Lösungsmöglichkeiten kann und soll die Kirche für die vielfältigen Probleme im Bereich Ehe und Familie anbieten?
In Deutschland und in vielen Teilen der so genannten westlichen Welt besteht das Hauptproblem in Bezug auf Familie und Kirche in der Frage nach dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen.
Ein weiterer Aspekt, der vor allem durch die gesamtgesellschaftliche Entwicklung ins Spiel gebracht wird, ist die Frage nach homosexuellen Partnerschaften.
Dabei wurden und werden bei der Betrachtung der Synoden und auch des Schreibens zwei Dinge vorausgesetzt:
Erstens, dass die Kirche in der ganzen Welt dieser Schwerpunktsetzung folgen müsse.
Zweitens, dass die Kirche sich genau so wie die Gesellschaft in ihrem Verständnis von Ehe und Familie und den damit verbundenen Grundsätzen wandeln müsse. Und zwar wird hier vorausgesetzt, dass die Kirche einerseits keine als unveränderlich verbindlich geltenden Positionen vertreten dürfe und dass sie andererseits ihre Positionen dem angleicht, was heute als gesellschaftlich verbindlich gilt.
Diese Prämissen treffen nicht zu und missdeuten bzw. missverstehen das, was Kirche eigentlich ist.
Zunächst mal ist die Kirche weltumspannend und wenn auf einer Synode ein Schwerpunkt gesetzt wird, dann muss dieser zwangsläufig so aussehen, dass er für alle Diozösen weltweit zutreffend ist, also eine Schnittmenge bildet. Die Annahme, dass die Kirchen in den Ländern der zweiten, dritten und vierten Welt, hier eben einfach noch Aufholbedarf hätten und sich durch unsere moderneren Positionen belehren lassen müssten, ist alter Imperialismus in neuem Gewand.
Dann muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Kirche als ganzes ebenso wie gläubige Menschen als einzelne sehr wohl von der Existenz unveränderlicher Wahrheiten ausgehen - anders hätte der Glaube an sich wohl auch wenig Sinn. Verbindlich ist deswegen keineswegs, was aktuell in der Gesellschaft angesagt ist, wenn es von dieser auch noch so sehr verbindlich gemacht wird. Zu anderen Zeiten war es verbindlich, den aktuellen Herrscher als Gott anzubeten, aber da Christen an einen anderen - und zwar an einen ganz bestimmten - Gott glauben, haben sie diese Anbetung verweigert. Sie waren sogar bereit, dafür in den Tod zu gehen.
Natürlich soll man als Christ die Gesetze des Landes in dem man lebt, respektieren. Auch Jesus hat sich z.B. nicht dagegen ausgesprochen, der römischen Besatzungsmacht Steuern zu zahlen. Und machen wir uns nichts vor: obwohl das allgemeine Unverständnis gegenüber gläubigen Christen sehr gewachsen ist, muss normalerweise niemand seinen Glauben verleugnen. Die Gesetze in der sogenannten westlichen Welt dürften Christen eher selten in Gewissensnöte bringen.
Es ist keine Überraschung, wenn das nachsynodale Schreiben überhaupt nicht in die Richtung geht, die sich viele Beobachter in Deutschland erhofft hatten.
In dem Schreiben geht es - wie auch in der ganzen Synode - darum, welchen Problemen Eheleute und Familien heute begegnen, und wie die Kirche ihnen bei diesen Problemen beistehen kann. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Was ich jedoch für überraschend halte, ist, wie Menschen, die in ihrem Alltag mit der Kirche wenig bis gar nichts zu tun haben, sich darüber aufregen können, wenn die kirchliche Lehre zu einem Thema wie Ehescheidung oder Homosexualität eine Position vertritt, die sie für falsch halten.
Die Menschen scheinen eine Art Scannerblick zu haben: "Aha, die Kirche bietet für diese Probleme nicht die Lösung an, die wir für richtig halten." Und dann folgt eine Schlussfolgerung, deren Logik mich staunend zurücklässt: "Die Kirche bietet für die Probleme von Beziehungen, die nicht dem katholischen Eheverständnis entsprechen, keine Lösung."
Mir ist natürlich klar, dass das daran liegt, dass viele die Lösungen die die Kirche anbietet für nicht annehmbar halten. Aber nun ist es in der modernen "westlichen" Welt auch einfach so, dass man durchaus nicht auf das angewiesen ist, was einem die Kirche bietet.
Wieso muss man daraus, dass die Gesetze vieler Länder heute die Möglichkeit bieten, nach einer Scheidung neu zu heiraten oder eine gleichgeschlechtliche Ehe zu schließen, schlussfolgern, dass die Kirche diese Möglichkeiten auch bieten sollte?
Ich halte das einfach für unglaubwürdig, wenn Menschen, die selbst nicht gläubig sind, sich darüber aufregen, dass andere Menschen, die möglicherweise ebenfalls nicht gläubig sind, bestimmte Sakramente nicht empfangen können. Diese Sakramente bedeuten doch den nicht Gläubigen sowieso nichts. Was soll das Ganze?
Ein Sakrament ist keine Dienstleistung.
Und es ist auch kein Zeichen der Gruppenzugehörigkeit.
Der Ausschluss von den Sakramenten bedeutet nicht, dass man auch aus der Kirche ausgeschlossen ist.
Ein Sakrament dient der Vereinigung mit Gott.
Die kirchliche Lehre stütz sich auf die Bibel und auf Aussagen Jesu, und diese verändern sich nun mal nicht mit dem Zeitgeist. Sie sind im Rahmen der Zeit zu interpretieren, doch das bedeutet nicht, dass es da eine Auswahl gibt, was man gerade für gültig hält und was nicht.
So zu tun, als rufe man dadurch, dass man Wiederverheiratete, in außerehelichen Beziehungen lebende und praktizierende Homosexuelle nicht zur Kommunion zulässt, zu deren Ausgrenzung oder gar Verfolgung auf, ist Unsinn.
Ich gehe zur Zeit auch nicht zur Kommunion. Da ist absolut nichts dabei. Es ist nicht leicht, darauf zu verzichten, aber genau weil mir die Eucharistie wichtig ist, halte ich mich auch an die Regeln. Wenn meine Lebenssituation wieder so ist, dass ich in Übereinstimmung mit der kirchlichen Lehre bin, werde ich mit Freuden beichten und wieder zur Kommunion gehen.
Ich weiß nicht, wodurch ein Mensch würdig sein kann, den Leib Christi zu empfangen. Ich meine, eigentlich geht das doch nicht. Jesus ist Gott. Und er will Brot werden, um sich physisch mit meinem Leib zu vereinen? Er kommt in mein Verdauungssystem, weil er in meinem Herzen wohnen will? Das ist doch unfassbar. Aber er tut es. Jesus Christus hat die Eucharstie beim letzten Abendmahl eingesetzt, damit ich mich, von ihm erlöst, im Brot mit ihm vereinen und ihn anbeten kann. Ich bin glücklich, dass ich zu Kommunion gehen darf, aber das ist nicht selbstverständlich für mich. Die Kommunion ist ein Geschenk Gottes an die Gläubigen.
Die Kommunion ist nicht einfach ein Zeichen der Gemeinschaft, das sich die Gläubigen schenken.
Das Zeichen der Gemeinschaft ist, dass man gemeinsam zur Messe und vielleicht auch zur einen oder anderen krichlichen Veranstaltung geht. Das beides klappt bei mir auch ohne Eucharistie wunderbar.
Daher fällt es mir schwer, zu verstehen, weshalb sich die Medien scheinbar so an der Frage der Zulassung zur Kommunion festbeißen.
Im nachsynodalen Schreiben wird deutlich, dass der Kirche viel an der Begleitung von Ehen und Familien gelegen ist und das ist wunderbar.
Auch Wiederverheiratete sollen seelsorglich betreut werden und können und sollen ganz selbstverständlich am kirchlichen Leben teilnehmen.
Ich finde das sehr wichtig, wahrzunehmen, dass die seelsorgliche Betreuung von Familien über die Sakramente hinausgeht und auch dann fortbestehen sollte, wenn der Sakramentenempfang mal aus irgend einem Grund nicht möglich ist.
Dazu gehört eine gründliche Ehevorbereitung, die auch in Deutschland sehr stark verbesserungsbedürftig ist und eine Begleitung der Ehepaare und Familien. Dazu gehört vielleicht auch, dass Seelsorger mehr Zeit und den Kopf frei haben, um vielleicht mal rechtzeitig zu erkennen, wann man einem Paar eine Paarberatung oder Therapie empfehlen oder ein Gespräch anbieten sollte.
Gerade in Deutschland habe ich den Eindruck, dass viele Priester zu solchen Aufgaben keine Zeit haben, weil sie mit Verwaltungstätigkeiten überbelastet werden. Möglicherweise sollte man Laien als Pfarrverwalter anstellen, damit die Priester sich wieder mehr auf ihre eigentlichen Aufgaben, nämlich die Spendung der Sakramente und die Seelsorge, konzentrieren können.
Aber das ist im Grunde ein anderes Thema.
Jedenfalls ist in der Kirche grundsätzlich jeder willkommen. Ganz unabhängig dazu, ob er zum Empfang der Sakramente berechtigt ist oder nicht.
Was Amoris Laetitia angeht: Es ist an die Gläubigen gerichtet, und unter diesen einerseits besonders an die Seelsorger und andererseits an die Familien, die von ersteren begleitet werden sollen.
Das sollte man nicht vergessen.