Montag, 29. Juni 2015

Mit allen Wassern gewaschen

Mit allen Wassern
stieß ich zusammen.
All Deine Wellen und Wogen gingen über mich hin.
Doch, nachdem du das Tuch zu Ende gewebt,
Kleidetest du mich in Gewänder des Heils.
Und hoch warfst du
Den Vogel, den der Druck deiner Hand
Geschmiedet
Geläutert
Aud dem erdigen Gold, und ich fliege
Hoch. So singe ich Dir mein Lied.
Ja. Sagst Du.
Denn jetzt,
Nachdem du mir dein Leid geklagt
Und deinen Schmerz
Auf mich geworfen hast,
Hast du endlich
Keine Steine mehr
Über die du stoplern kannst.
Ich tanze
In der Luft
Die Luft trägt mich
Die Liebe trägt mich
Ich fliege auf den Schwingen des Heils
Wie ein Pfeil schieße ich dahin.
Machtvoll hast Du dich kundgetan.
Durch alle Wasser
Dringe ich hindurch.
Alle Wellen und Wogen tanzen und singen in mir,
Ich nahm sie an und sie wurden mir ein Chor.
Ich singe Dein Lied:
Liebe
hast Du mir gegeben.

Dienstag, 23. Juni 2015

Der Wanderer

Ich wanderte im finsteren Tal
Und fürchtete nicht das Unheil.
Schwach war es, es hinkte,
Es stützte sich auf mich als ich lief.
Doch ich fürchtete mich nicht, als ich zog
Hinauf, zum Tempel des Herrn, dort zu wandeln.
Besser wandern alle Tage
Um einen in den Vorhöfen deines Heiligtums;
Habe ich deine Schwelle - was sollen mir die Zelte der Frevler?
Auch das Unheil geht nach ihnen nicht aus.
Käme es nicht zu mir
Wer würde es kleiden?
Doch
Hat einer einmal ein Festgewand
so soll er auch feiern.

Ich wanderte im finsteren Tal,
Da ich wusste vom Licht.
Ich wanderte blind,
An Steine stieß ich
Nicht, ohne sie fragen zu hören,
Ob sie mir Haus sein dürfen.
Mir aber winkte die Schwelle.
Ich ließ ihnen ein Pfand und ging fort.
Für die Vorhöfe des Heiligtums und für den Platz an der Schwelle
Wird es schon genug sein, was am Ende noch bleibt.

Ich wanderte im finsteren Tal
Und meine Hände waren frei von Gepäck.
Ein jeder wollte getragen sein.
Ich sagte: Auf Zeit:
Denn der Stecken und Stab wartet meiner.
Und wer am Ruheplatz mir Wasser
Sein wird
Mit dem gelange ich ans Ziel.

Donnerstag, 18. Juni 2015

Ein Psalmsänger-Gedicht

Singt dem Herrn ein neues Lied,
Spielt Ihm, preist seinen Namen!
Wunderbare Taten hat er vollbracht
(Zum Beispiel hat er dich gemacht.)
Der Herr ist ein König, der den Kriegen ein Ende setzt.
Er beendet die Kriege die in mir tobten,
Er stillt die Stürme die mich umwogten.
Ein Gott ist er, vor dem die Völker erzittern.
Mein Gott ist er, aus meines Herzens Splittern
Baut er Paläste, komm
Darin zu wohnen!
Ich singe dem Herrn ein Lied.
Er führt mich von Meer zu Meer.
Zum Felsen formte er mich,
Ich bin stärker als jedes Heer.
Ich singe dir mein Lied.

S. Reh - 17.06.2015

Erkannt



Ich saß unten im Einkaufszentrum und aß meinen kleinen Ein-Euro-Burger. Wie lange war ich unschlüssig um die Filiale herumgeschlichen? Doch letztlich musste ich ja doch was essen und zu Hause war nichts mehr.
Was ist schon ein Euro? Auf einen Euro kommt es jetzt auch nicht mehr an.
Da aß ich nun. Vorsichtig trennte ich das Brot vom Unterteil des Burgers ab, um das Gleichgewicht zwischen Fleisch und Brötchen etwas mehr in Richtung des ersteren zu verschieben.
Ich muss etwas Elegantes an mir gehabt haben, das mich verriet, als ich die Bröckchen in die Tüte gleiten ließ. Eine Frau, die vorbeikam, bemerkte es. Ihr Gesicht hellte sich auf, als sie mich erkannte.
Mit einer scheu suchenden Geste ließ sie sich neben mir auf die Bank sinken.
Da saß sie und belächelte mein Essen mit ihrer durchsichtigen Hilflosigkeit.
Noch wusste ich nicht, was sie wollte. Aber ihr Blick ruhte sich an mir aus und fand Hoffnung.
Auf meiner Tüte fand ich einen Gutschein für eine Cola. Sie war so scheu: ich musste sie fragen. Ich hielt ihn ihr unter die Nase. Ein Gutschein ist immerhin etwas anderes als Reste essen.
Es dauerte eine Weile, bis sie zu ihrem Kopfschütteln eine Stimme bekam. „Ich brauche Nichts“, sagte sie, „ich“ und das Sprechen wurde ihr wieder schwer, „ich muss nur… ich brauche… ein Telefon oder… verstehen sie, weil die Krankheit so schwer ist, so schwer…“ Ihre Hände ruderten hilflos. Ich konnte sehen, dass sie wirklich zitterten und es gab auch blaue Flecken an den Fingerspitzen. Jedenfalls musste sie etwas haben.
„entschuldigen sie, ich kann nur nicht… ich kann kein Telefon benutzen und auch keinen Computer… ich kann zwar sprechen, aber nicht hören. Ich brauche. Ich will doch nur einen Termin haben. Nur einen. Nur einmal mit dem Professor reden, der mir das angetan hat, nur einmal…“
Das Eis war gebrochen und in ihrer stockenden, hilflos suchenden Art erzählte sie mir ihre Geschichte. Irgendeine Operation am Ohr, die schief gegangen war und viel Blut und furchtbare Dinge hatte man ihr angetan und sie hatte nicht aufstehen dürfen. Und jetzt war ihr Leben zerstört und sie hatte Epilepsie und Osteoporose und Magersucht und konnte nicht mehr schlafen und ihr kleiner Hund war gestorben und sie hatte alles verloren. Und als die Operation wiederholt werden sollte war sie aus dem Krankenheus weggelaufen, zwei Mal.
Wie auch immer diese Dinge zusammenhingen und einen oder auch keinen Sinn ergaben: Hilfe brauchte sie in jedem Fall. Sei es, einen Zuhörer zu haben, einen Psychologen oder einen Anwalt, um gegen einen pfuschenden Arzt zu klagen.
Und ich konnte nicht aufstehen und gehen, bevor ich nicht meinen Teil dazu beigetragen hatte, denn sie hatte mich erkannt und wenn ich es getan hätte, hätte ich sie zerbrochen.
Sie wusste ja schon, dass sie Menschen nicht vertrauen konnte und Ärzten auch nicht.
Aber wenn man mir auch nicht vertrauen konnte – wenn man mal einen erkannt hat – wem sollte man denn dann noch vertrauen können und wo sollte man seine Hoffnung haben und sein Leben?
Ich ließ keinen Seufzer hören, als ich an meine Handyrechnung dachte. Natürlich hatte ich ein Smartphone. Ich konnte die Internetflatrate benutzen, aber nicht telefonieren, denn jeder Cent mehr tat weh und ging an die Substanz.
Ich war noch nicht in den höheren Abteilungen angekommen, in denen es auf solche Kleinigkeiten nicht mehr ankommt und außer meinem guten Willen und dem gelegentlich aufflammenden Heimweh verband mich nichts mit der Chefetage.
Ich holte also mein Telefon raus und öffnete die Notizfunktion. Sie konnte nämlich wirklich nicht hören, was ich sagte. Ob ich jetzt böse sei, fragte sie mich mit einer seltsamen Mischung aus Vertrauen und Angst in der Stimme.
Ich war für sie zuständig.
Aber wenn ich nicht wollte und sie mich verlor – …
Sie hatte mich erkannt.
Sie wusste es.
Ich schrieb ihr. „Was soll ich tun? Was wollen sie tun? Anrufen? Oder eine Nachricht schicken?“
Ihr Lesen war zaghaft, zögerlich. So, als müsse sie sich erst daran erinnern, dass es auch möglich war, dass Worte an sie gerichtet wurden. Worte, die einen Sinn ergaben und nichts Böses wollten.
Sie stammelte einige Antworten, brach die Sätze immer wieder ab. Sie wollte doch nur einen Termin haben, nur ein Mal…
Dann fiel ihr etwas ein und sie suchte in ihrem Rucksack. Ein ordentlicher Rucksack von einer guten Marke. Ich hatte auch mal so einen.
Überhaupt war sie sauber und ordentlich gekleidet, auch ihr Gesicht war glatt und rein.
Sie hatte wirklich ein Problem. Es war nicht ihre Schuld und sie hatte es nicht verdient, dass man sie herumschubste und ihr nicht half. Aber dieses Nicht-Helfen haftete an ihr und drückte sie schwerer zu Boden als alles andere, das ihr passiert war.
Der Arzt war doch zuerst nett gewesen und hatte getan, als… Es hatte so ausgesehen, als sei er ein guter Mensch…
Sie holte eine Visitenkarte hervor.
Ich nahm sie. Es war wirklich von einem Unfallkrankenhaus, wie sie gesagt hatte.
Es gab eine E-Mail-Adresse.
Ich rief mein E-Mail Programm auf. Ich konnte mir die Antwort der Leute auf so eine Nachricht lebhaft vorstellen. Was mir einfiele, mich in Angelegenheiten zu mischen… Außerdem sei alles ganz anders; die Person sei verrückt und überhaupt habe der Professor besseres zu tun oder vielleicht gäbe es auch gar keinen dieses Namens.
Es war aber nicht meine Aufgabe, für diese Dinge zu sorgen.
„Sehr geehrte Damen und Herren“, schrieb ich, „hiermit möchte ich für Luisa Lobor um einen Termin bei Prof. Dr. Klein bitten.“ „Geht es?“ fragte sie hoffend, ängstlich.
Mir fiel etwas ein und ich öffnete mein Kartenprogramm.
Denn wenn ich wegging – wie sollte sie die Antwort jemals erreichen?
Es war klar, dass man nicht sofort antworten würde. Wenn überhaupt.
Stattdessen gab ich die Adresse ein, um danach zu suchen. „Es ist sehr weit und ich weiß nicht, wie ich da hinkommen soll.“ Hatte sie gesagt.
Sie hatte immer weitergeredet und das Weinen war noch etwas weiter an die Oberfläche gekommen. Während ich wartete, schniefte sie ein bisschen. Ich nahm etwas von ihrem Kummer. Der Kummer war echt und sie war darin so klein und elend, dass sie nicht einmal richtig weinen konnte.
„Sind sie jetzt böse?“ fragte sie wieder.
Ich schüttelte den Kopf.
Man hatte meine Downloadgeschwindigkeit gesenkt und es lud und lud…
Es war tatsächlich weiter draußen. Aber ich konnte den Namen der Station keiner S-Bahnlinie zuordnen und musste warten.
Ich wechselte zur App des öffentlichen Verkehrsnetzes, aber hier kam ich nicht mal halb so weit wie auf der Karte.
„Funktioniert es?“ fragte sie.
Ich zeigte ihr die Fehlermeldung auf dem Display.
Ich musste ihr etwas aufschreiben.
Ich wollte aber das Programm nicht schließen, denn ich brauchte die Angabe.
Sie verstand schließlich und gab mir einen kleinen Block, aber ihr Stift –sie musste so danach suchen! – schrieb nicht.
Neben uns saßen zwei junge Mädchen und ich bat eine von ihnen, mir in dem Kosmetikgeschäft gegenüber einen Stift zu holen.
„Und warum holen sie ihn nicht selber?“ fragte sie. „Ich will meine Sachen hier nicht stehen lassen, weil ich die Frau nicht kenne“, sagte ich, „sie hat mich nur um Hilfe gebeten.“ Was ich nicht sagte war, dass sie auch nicht verstehen würde, wenn ich auf einmal aufstand. Ich konnte auch gar nicht aufstehen, weil ihre Hilflosigkeit mich fesselte.
Das Mädchen ging los und es klappte. „Der Mann hat gesagt, sie können den behalten.“ „Danke dir. Vielen Dank.“ Ich schenkte ihm mein bestes Lächeln, aber die ganze Sache war ihr trotzdem einfach zu dubios.
Ich schrieb. „Das Gerät hat keine Verbindung, um einen Termin zu machen, aber es zeigt den Weg.“ Sie las angestrengt. Langsam, ängstlich und zögernd. „Geht nicht? Vielleicht später?“ Ich unterstrich die Worte: „es zeigt den Weg“. „Termin?“
Ich ging zurück zum Kartenprogramm und diesmal zeigte es tatsächlich den Weg mit Bahnlinien und Fahrtzeiten an. Diesmal gab ich mir Mühe, ordentlicher zu schreiben. „Von Gesundbrunnen in die Linie… bis … Umsteigen in die Linie… nach… in… aussteigen.“
Ich blätterte, denn die Seite war damit voll. „An der Anmeldung fragen.“
Jedes Krankenhaus hat eine Anmeldung.
„Aber wie komme ich da hin? Ich habe kein Auto.“
Deshalb also war ich die ganze Woche schwarzgefahren und hatte mir meine letzten vier Fahrkarten aufgespart.
Ich gab ihr eine von ihnen und zeigte auf das S-Bahn-Symbol. Dann ging mein Stift die Angaben noch einmal durch. „Mit der S-Bahn“, erkannte sie. Ich nickte und wies noch einmal auf die Nummern der Linien und auf die Umsteigebahnhöfe. „Termin?“ Fragte sie. Ich schrieb in Druckbuchstaben auf die Rückseite der Visitenkarte. „Beim Pförtner fragen und Warten.“ „Wann? Termin?“ Ich machte einen Pfeil und schrieb. „Einfach warten.“
„Aber das ist ihre“, sagte sie zu der Fahrkarte. Ich bedeutete ihr, sie zu behalten und auch den Stift. „Das kann ich nicht annehmen.“ Es war die verschüchterte Demut eines Menschen, den man künstlich klein gemacht hat.
Wie oft hatte man ihr gesagt, dass ihr dieses und jenes nicht zustünde?
Ich schrieb noch einmal. „Sie müssen mit der S-Bahn hinfahren. Sie brauchen den Stift.“ Ich wollte ihn ihr in die Hand drücken, aber da war gerade so Platz für den Block und die Fahrkarte und er fiel zu Boden. „Das ist ihr Stift.“ Ich schrieb. „Ein Geschenk!!!“
Sie lächelte und bedankte sich. Es machte ihr ein bisschen Angst, so auf den Weg geschickt zu werden, aber sie wusste, dass ich getan hatte, was ich konnte.
Es gäbe keine guten Menschen mehr aber ich wäre gut… Ich weiß nicht mehr, was sie noch alles sagte, es war so viel. Ich sollte Glück haben und mir sollte alles gelingen… Ach, ich weiß es nicht mehr!
Ich drückte ihr die Hand.
Ich war etwas bange um sie und den Weg, den sie nun vor sich hatte, aber so ist das nun Mal:
Wenn man einen Engel um Hilfe bittet, erwirbt man eine Verpflichtung, es mit dem, was man bekommt, auch zu versuchen.

S. Reh November 2012

In meiner Stille



Warnung! Dies ist eine Geschichte über den Schmerz!

Irgendwie war es seltsam still.
Normalerweise wachte sie auf, wenn er aufstand.
Den Wecker hatte sie noch nie gehört, aber wenn er wach wurde und anfing, sich zu bewegen, dann holte er sie aus dem Schlaf. Manchmal rannte er nachts durch die Wohnung, weil seine Herzrhythmusstörungen ihn aus dem Schlaf gerissen hatten. Voller Panik hastete er dann durch die Räume, bis sie wach wurde. Es ging schnell. Nur ein kurzer Moment der Orientierungslosigkeit, dann der Schock des Erkennens, der sie im Bett hochfahren ließ.
Und sie würde aufstehen und rausgehen, um ihn zu beruhigen. Ein bisschen seiner Angst nehmen, die sich dann zu ihrer eigenen gesellte, und ihn umarmen, um ihn zu trösten.
Er drückte sie nicht an sich, denn er war ja derjenige der getröstet wurde.
Aber nach einer Weile konnten sie wieder ins Bett gehen und weiterschlafen. Da lag sie dann und lauschte, während sich sein Atem beruhigte und schließlich zu jenem tröstenden Schnarchgeräusch anschwoll, das ihr zeigte, dass wieder alles in Ordnung war. In solchen Nächten lag sie oft lange wach, denn all die Ängste, die bereits sorgfältig in den Kerkern ihres Herzens verwahrt wurden, beäugten den Neuankömmling misstrauisch. Sie wurden unruhig und zerrten an ihren Ketten und manchmal brach eine der Bestien aus ihrem Käfig aus und fuhr mit scharfen Krallen  durch den Mittelpunkt ihrer Seele.
Sie kannte das bereits und wartete einfach ab, bis es sich ausgetobt hatte. Irgendwann wurde es müde und ließ sich wieder einfangen. Oder es wanderte noch einige Wochen durch die Räume ihres Seins. Aber sein matter Schritt konnte nur ein blasses Echo in ihr hervorrufen.
Doch heute war es anders.
Fast schien es, als hätten Engel heimlich des Nachts die Luft gewechselt oder Schnee fallen lassen, der nun alle Geräusche schluckte und das Schlafzimmer in ein seltsames Licht tauchte.
Es war bereits hell und der Wecker hatte sein Konzert aufgegeben.
Sie drehte sich auf die Seite, um ihn anzusehen und strich ihm eine Haarsträhne aus der Stirn.
Ein kleines Ächzen entrang sich ihrer Kehle und der Atem rasselte ein bisschen. Sie seufzte.
Der ganze Schnee war mit einem Mal ziemlich schwer.

Das Bett stand an der Wand und er lag außen, so dass sie jedes Mal über ihn klettern musste, wenn sie vor ihm aufstehen wollte.

Sie kniete über ihm.

Wie viel Zeit würde ihr wohl noch bleiben?
Schließlich lehnte sie sich nach vorne und lehnte ihre heiße Stirn gegen seine kalte.

Da klopfte es auch schon.
„Johannes hast du verschlafen?“
„Ja wir kommen gleich!“, brüllte sie und glitt vom Bett. Mit zwei Schritten war sie an der Tür. „Johannes geht es nicht gut, ich rufe grad einen Krankenwagen.“ „Was?! Johannes!“ Sie stellte sich ihrer Schwiegermutter in den Weg, die versuchte, einen Blick in das Schlafzimmer zu werfen. „Würdest du vielleicht in deinem Zimmer warten? Die müssen ja dann hier durch.“ Die Mutter konnte schon nichts mehr sagen. Nach wenigen Sekunden war vom anderen Ende des Flurs Musik zu hören. Marienlieder. So weit, so gut.
Sie ging zurück. „Das hat wehgetan.“ Flüsterte sie in Richtung des Bettes, während sie nach dem Mobiltelefon griff und den Notruf wählte.
Dabei hatte sie im Grunde gar nichts gesagt. Aber schon die Sorge an sich hatte gereicht. Der Sohn, der einzige, letzte. Er durfte keinen Regenschirm vergessen, niemals stolpern und erst recht nicht krank werden.
Und dann das Wort Krankenwagen.
Beim Anblick des Gesichts waren all die Ungeheuer, die nur wenige Minuten zuvor in eine Art Schockstarre verfallen waren, wach geworden. Sie rumorten, randalierten und plärrten, dass sie in ihren Grundfesten erschüttert wurde. Das Beben wogte durch ihren Körper.
Von irgendwo stürzte ein Schwert herab und landete direkt im Jugulum. Es rutschte weiter und fand, ihr Brustbein längs zerteilend, schließlich den Weg zum Magen. Dort drehte es sich mehrmals um sich selbst, um dann wieder nach oben zu schießen. Direkt ins Herz.

„Hallo, mein Name ist Jänicke. Ich glaube, mein Mann hat gerade einen Herzinfarkt.“
Wenigstens ersparte diese Meldung jede weitere Diskussion.
Sie zog sich an. Es dauerte nicht lange, bis der Krankenwagen da war. Sie stürzte den Leuten entgegen und stellte sich ihnen in den Weg.
„Hören sie, mein Mann war bereits tot, als ich aufgewacht bin, aber wenn sie nicht noch eine weitere Leiche da raustragen wollen, dann helfen sie mir um Himmels willen und sorgen sie dafür, dass seine Mutter das nicht mitkriegt.“
Die Leute brauchten einen Moment, um den Schock zu verdauen. Einen weiteren, um zu begreifen, wovon sie redete und noch einen, um sich zu entscheiden, ob das eine gute Idee war. Aber das spielte im Grunde genommen gar keine Rolle, denn an diesem Morgen war gut schon ausverkauft. Die Männer wechselten einen Blick, nickten.
Einer von ihnen lief zurück, um eine Sauerstoffflasche zu holen.

Ihre Schwiegermutter hatte den Kopf aus ihrem Zimmer gesteckt, um zu sehen, was vor sich ging, ihr Gesicht ein brennender Speer.

Die Sanitäter hatten ihren Mann auf die Trage gelegt und ihm eine Atemmaske angezogen.
„Würden sie bitte zur Seite gehen.“
„Ich rufe dich gleich an, wenn wir da sind.“ Sie kannte die Qual des machtlosen Wartens selbst nur zu gut.
Sie rief tatsächlich gleich an und log, dass er noch in der Notaufnahme sei.
Eine halbe Stunde später telefonierte sie noch einmal und sagte, es stünde schlecht um ihn. Nach einer weiteren halben Stunde wiederholte sie den Anruf und dann abermals nach einer Stunde. Weitere 40 Minuten vergingen, bevor sie sich auf den Heimweg machte.
Sie hatte sich bereits an die Unwetter gewöhnt, die in ihr tobten und nahm kaum Notiz davon.
Sie dreht die Schlüssel im Schloss und bereitete sich auf einen weiteren Stoß vor.
Und während sie in die Wohnung trat, um ihrer Schwiegermutter zu sagen, dass nun bereits der dritte von vier Söhnen vor ihr gestorben war, dachte sie darüber nach, ob man sie wohl verklagen würde, weil sie die Ambulanz gerufen hatte, nachdem ihr Mann doch schon tot gewesen war.

S. Reh - August 2012

Ray of Light



Eine Geschichte zur Erholung

He stepped out of the plane, heading for Gate 27.
Half an hour till the connecting flight would take off.
Taking a seat and switching on his mobile was one movement. He took a glance through the hall while the display was loading. It was just as empty as any airport.
A message popped on.
“Text me when arriving at Paris.”
“I’m waiting for the flight to Lyon.” He answered.
Her reaction arrived immediately. “I’ll meet you at the airport. Ready for an exuberant welcome?”
He knew it was pointless to tell her she wouldn’t need to fetch him up at 3 o’clock in the night. So he skipped that to directly go for the welcome.“?” “Yes or no.” It might be inappropriate to say no. “Yes.”
That was it.
He pulled out the phone, wondering whether she was being better already. He’d actually never understood why her stepfather had been that important to her. Receiving the call about his death had put an expression to her face that did even hurt him when thinking of it.
Kind of strange.

It was quite empty at the arrival. He did see her even before reaching the luggage carousel.
She was jumping up and down like a bouncy ball.
Then, once in a sudden, she bounded over the barrier, running to him. With a standing jump she landed on him, closing her legs around his hips.
His exhale of surprise ended up inside of her mouth when she was demandingly kissing him.
“That was an exuberant welcome.” “I told you.” She released him, putting her feet back to the ground. “Where’s your baggage?” He went to fetch it up, her eyes following him.
“Let’s go.” She grabbed for his hand.
They entered a cab and she informed the driver about the address. He frowned. His first time to meet her parents would be on the burial of her stepfather. Strange. He took a glance at her. She didn’t seem to have been crying very much. He remembered her telling him that she did never cry for being sad. With a sigh of pleasure she leaned against him, closing her eyes as he caressed her.
It was dark and there was no way to make out what kind of quarter of Lyon her parents lived in. She led him into the house, stairs up to her attic room without switching any lights on.
In silence she put his case away. He took a breath as if to say something. She swept her finger over his mouth and started to undress him.
She went on until they both were naked, started to stroke him and kiss him.
“Helen.” “You are my personal ray of light. Don’t you know that?”
He kissed her and she pressed her body against his.
There was nothing left to say.

She was still sleeping when he woke up next morning.
He headed for the window. It seemed to be an affluent suburb of the city.
What the hell should he put on now?
He felt uneasy about dressing completely before having a shower.
He felt uneasy about meeting his girlfriend’s mum in a dressing gown.
But how should he be able to tell her that he was about to have a shower if he had dressed completely already? He turned to look at the girl. She was sleeping so peacefully.
You wouldn’t have noticed that she was grief-stricken so much if not her physiognomy would have changed that completely while she was sleeping.
Hell, he would certainly not wake her up as long as she wasn’t about to miss the funeral ceremony.
He opened his suitcase grabbing for a shirt and some sweatpants.
“Bonjour!” he shouted, dashing down the stairs.
He passed the middle level of the house without seeing anyone.
The terrace door was open at ground-floor. “Bonjour!” he called again, the words feeling uncomfortable and alien in his mouth. Just as rotating a moss-grown stone with his tongue.
The woman coming up the path was small.
“Oh, vous déjà réveillé.” She was trying a smile but failed.
That might be about him being already up. “Oui.” More of moss-grown stones were obstructing his mouth. He looked at her. As opposed to her daughter she seemed to have been crying quite much during the last few days. “I’m sorry for your loss.” It was just a try. She blinked at him. Then she seemed to remember something.
Maybe Helen had told her what you’d usually say for expression of sympathy in such a case.
She did turn away from him, hiding a burst out of tears.
He wiped his mouth.
She turned back.
“Élaíne dort encore?”
Sounded like the start of a great day.
He hesitantly nodded. “May I take a shower?”
The puzzled look on the women’s face did accentuate the signs of sadness and despair.
He lifted up his hand signing a circle over his head. “Water. Wash.” “Ah. Le salle de bain est au-dessus au premier etage.” Her smile did work better this time. „La porte du milieu.“
She hurried up the stairs, swung open one of the doors.
“Je vous en prie!”
He blinked at her, being puzzled about how to make clear that he had to fetch up his washbag first. She didn’t move.
He entered the bathroom with a sigh, glancing round it quickly. Then he stepped out again, heading for the stairs. She was still standing there when he came back.
He wanted to lock the door, but there was no key. “Just as nasty as it can be.” He muttered. Well, just don’t pull out the water until you are fully dressed.

At the very moment he stepped out of the shower, he realized he had forgot his towel.
Another sigh.
He tried one of the cabinets. Washing powder, fabric conditioner and stain remover.
Next door. Sanitary pads.
It didn’t seem to get better. Then he discovered hand towels in the next shelf. Something at least. He took out three of them. They were rather small.

Helen was still sleeping when he came up to put his stuff away.
You couldn’t think her life had had any grief seeing her like this.
He descended back to ground level. Her mom was standing in the living room.
“Voulez-Vous prendre un petit dejeuner?” „Qui?“ „Servez-vous s’il vous plaît. Je vais continuer à travailler dans le jardin. J'espère que cela ne vous dérangera pas.” She made a gesture of inviting him to the kitchen. “Qui.” He actually didn’t know anything better to say. It was quite surprising when she didn’t follow him but turned round to get back out into the garden. He paused. She turned again, trying to figure out what was puzzling him. “La corbeille à pain est la-bas.” She signed towards a place on the left side of the worktop. “Prenez tout ce que vous désider dans le frigo.” She passed the terrace door.
Hadn’t she asked him about having breakfast? Another sigh. This would be quite a good moment for Helen to appear.
There was a breadbasket in the corner her mum had shown to him.
He moved forwards, then stopped for another time to wipe his mouth.
Hesitantly he opened the fridge. This was kind of odd.
He closed it again, tried one of the drawers. He had found the cutlery. So far, so good.
He didn’t really feel like self-serving in an unknown household. Maybe a piece of bread with some butter would do for the moment.
Helen and her mom entered the living room at once. She just ignored her mother, quickly heading for him. Her mom didn’t take any notice of her as well, addressing him instead. “Vous n’avez pas du faim?” He could not answer since Helen was kissing him excessively. He cupped her face into his hands. “Your mother is standing over there.” She looked at him teasingly. “I wouldn’t mind having you right in front of her. Maybe on the kitchen table?” He couldn’t help laughing. “I’d actually prefer some bread for breakfast.” “Well, then. Did she tell you to serve yourself?” “Would be a great start to know that.” “Oh, I bet she did. Usually she would.” “Usually?” “Last time I came up with a friend was six years ago. She didn’t care at all.” She started to line up foodstuffs on the table. “Didn’t you have any contact since then?” “I didn’t have at that time as well. It was my father all over. Anything else needed?” He took a glance round the table. Bread, butter, jam, cheese. Some kind of yoghurt. “No cold cuts?” “She never buys any kind of meat.” “Ok.” “Coffee or tea?” She started to search the shelf. “Well, there’s no tea anyway. Don’t mind eating while I’m taking a shower.”
Off she went.
He peeked through the service hatch but her mum had gone back to the garden yet.
Seemed to get even funnier he’d though earlier at the day.
Somehow he started to wonder if anyone would notice that he didn’t speak any French at all.

S. Reh - August 2012