Am 24.07.2013 war ich irgendwo zwischen Ligonde und Palas de Rei.
Auf diesem letzten Stück des Jakobsweges traf man immer mal wieder auf Straßenschmuck zur bevorstehenden Feier des heiligen Jakobus, dessen Fest am 25.07. sich heute erneut jährt.
In Santiago war eine große Feier mit Feuerwerk geplant und viele Pilger, die etwa gleichzeitig mit mir in Saint-Jean-Pied-de-Port gestartet waren, hatten sich vorgenommen, zu diesem Termin in Santiago zu sein.
Meine eigene Planung sah fünf Tage mehr Zeit vor; ich hatte mit Absicht so geplant, dass auf keinen Fall Eile aufkommen konnte.
Nicht etwa, dass ich langsam lief; bereits die erste Etappe hatte mir den Spitznamen "kleine Rakete" eingetragen.
Doch der Gedanke, bummeln zu können, gehört für mich einfach zum Pilgern dazu.
Stehen bleiben für ausgedehnte Stundenbuch-Sessions, an keiner Kirche vorbeieilen müssen, einfach mal nach 7 Kilometern beschließen, dass ich für heute keine Lust mehr habe: All das genoss ich in vollen Zügen.
Ich hatte mir einen zweiten Tag in Burgos gegönnt, wo es den krassesten Eisladen gibt, den ich je gesehen habe und eine Kathedrale, die so prachtvoll-schön ist, dass man sie nur als "emotional exausting" bezeichnen kann. Kurz darauf hatte ich eine Tagesetappe nach nur 8 Kilometern abgebrochen, um in der wundervollen Klosterruine von San Anton zu übernachten. Auch León und seine Kathedrale sind zwei Tage wert - die Königin des Lichts unter den Kirchen am Jakobsweg würde ich jeden Tag zwei Mal ansehen, wenn ich in León lebte.
Last but not least MUSSTE ich natürlich einige Tage im Pilgerhospiz des Monasterio de Monte Irago in Rabanal del Camino verbringen.
Doch am Abend des 24.07. gesellte sich zu all diesen Vorteilen ein eher trauriger Grund dafür, am 25.07.2013 besser nicht in Santiago zu sein:
Auf allen Kanälen zogen - auch in den Herbergen entlang des Jakobsweges - Bilder vom Zugunglück über den Bildschirm. Die Festlichkeiten zum Jakobustag wurden durch eine dreitägige Staatstrauer ersetzt.
Tatsächlich war es das schwerste Zugunglück in Spanien seit dem Ende des II. Weltkrieges.
Am frühen Morgen des 25.07. erinnerte mich ein einsames Banner, von Haus zu Laternenmast über den Weg gespannt, an den Feiertag auf einer- tatsächlich! - gespenstisch stillen Etappe. Lag es daran, dass ich, wie immer, so früh aufgebrochen war, dass ich auf dem sonst so hektischen letzten Teil des Jakobsweges kaum eine Menschenseele antraf?
Ich wusste noch nicht, dass ich aufgrund des typischen Andrangs keine Herberge finden und daher die letzten drei Etappen in zwei Tagen zurücklegen würde...
Es war schon seltsam, wie sich an diesem Tag das Gedenken an die Opfer, die Sorge um die Freunde und die Zufriedenheit darüber, dass ich mich nicht hatte hinreißen lassen, auch eine Ankunft zum 25.07. anzustreben, in meinem Kopf zu einer bittersüßen Mischung verbanden.
Ich war doch einige Male versucht gewesen; zumal ich es in der mir zur Verfügung stehenden Zeit dann auch noch bis Finisterra geschafft hätte.
Bei meiner Ankunft in Santiago de Compostella hatte sich die düstere Stimmung etwas gelegt. Doch viele meiner Freunde, die ich hier wiederzutreffen gehofft hatte, waren nach dem Zugunglück weitergepilgert, da sie es in Santiago nicht hatten aushalten können.
Zum Heutigen Tag des heiligen Jakobus wünsche ich allen Pilgern sichere Ankunft. Möge ihnen der äußere Weg ein innerer werden.
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