Freitag, 12. Juni 2015

Ich, Hiob

Hiob denkt

Hiob
Ist einer der nicht fliehen kann.
Nicht vor sich selbst und seinem Schicksal.
Nicht vor seinem Denken und Fühlen.
Nicht vor seiner Aufrichtigkeit und Gottestreue.
Nicht vor Gott.

Niemand hilft ihm.
Geht Hiob auf die Straße
Trifft er Gott.
Geht Hiob in sein Haus
Trifft er Gott.
Geht Hiob in den Tempel
Trifft er Gott.
Geht Hiob in sich
Trifft er Gott.
Nichts gibt es was Hiob tun kann.
Er weiß es.
In seinem Herzen ist Gott.
Wahrheit ist in seinem Herzen.
Hiob sieht Gott.
"Lass mich in Ruhe!" Sagt er.
"Was willst du von mir?"
Gott lächelt.
Er weiß
Hiob trägt ihn im Herzen und kann
Ihn nicht hassen. Selbst sein Fluchen ist Gebet.
Gott wiegt schwer.
Gott geht nicht einfach fort.
Hiob
Ist es zufrieden, nur
Würde er sich gern selbst entfliehen.
Hiob weiß nicht was Heiligkeit ist.
Hiob weiß nicht wozu Heiligkeit ist.
Hiob geht nicht einfach fort.


....
Hiob und Gott

Hiob
Ist einer von den Wenigen die den Vertrag gelesen haben.
Hiob
Hat es ehrlich ernst gemeint als er unterschrieben hat.
"Dein Leben gehört mir allein und ich kann damit machen was ich will.
Dir aber
darf einzig wichtig sein, ob du gehst in Treue zu mir.
Nicht wo.
Nicht wie.
Nicht wohin darfst du dich fragen sondern
Für mich, für mich und immer
Mein."
Hiob hat hochgesehen und Gott ins Angesicht
Als er zu dieser Stelle gekommen war.
Gott ist geduldig.
Hiob ist entflammt und sein Herz brennt in der Brust
Aber er ist nicht blind vor Liebe.
Er sieht ganz klar.
Er sieht Gott an.
Er sieht den Vertrag an.
Die aufrechte Geradheit gefällt ihm, auch
Die gnadenlose Konsequenz darin.
Gott gefällt ihm.
Immer
Wohin er auch geht
Kann er es nicht vergessen: Er hat
Sich dafür entschieden.
Er
Hat die Wahl getroffen und Gott
Schmiedet Hiob in seine Hand,
Je fester sie auf ihm lastet desto mehr.
"Zerbrich mich
Um zu beweisen dass ich dein bin."
Sagt Hiob.


...
Hiob und Theodizee

Für Hiob
Wäre es viel einfacher, anzunehmen
Es gibt keinen Gott.

Der Vertrag ein Traum.

Erkönnte den Versuch aufgeben, weise und gut zu handeln.
Er könnte losgehen und sich mit Dieben lagern.
Durch die Lande ziehen und sich berauschen und sein Unglück
Vergessen.
Aber Hiob
Ist keiner der sich selbst belügt und die Erfahrung
Wie es ist, Gott zu treffen, hat sich tief
Eingegraben in sein ganzes Sein. Er weiß
Dass Strafe und Erwählung
Dasselbe sein können oder zumindest sehr nahe.
Warum kam Gott ihn aufzusuchen?
Er hat gar nicht erst versucht, Gott zu erklären wie ungeeignet er ist; nicht mal dazu
Hat es gereicht. (Vielleicht hätte Gott ihm auch einen Bruder mitgegeben; wer weiß.)
Hiob ängstigt sich.
Er weiß zu genau dass er ein Nichts ist vor Gott.
Hiob hat vor nichts Angst.
Er weiß zu genau dass Gott alles vermag.
Wenn Hiob Gott um etwas bittet so hofft er
Nicht mal, Gott könnte ihm verzeihen, dass er einen Wunsch hat.
Schließlich
Ist Gott Gott.
Er macht was er will.

2 Kommentare:

  1. "Er weiß
    Dass Strafe und Erwählung
    Dasselbe sein können oder zumindest sehr nahe."
    Meine Lieblingsverse in drei herausragenden Gedichten.
    Hiob hat mich immer fasziniert. Ist übrigens vermutlich das am häufigsten rezipierte Buch der Bibel.

    AntwortenLöschen