Könnte ich.
Aber als Pilgerziel wird Lourdes in meiner persönlichen Hitliste ja doch von Santiago überlagert. Das gehende Pilgern auf dem Jakobsweg hat es mir einfach angetan.
Und über Lourdes bzw. meine Lieblingsheilige Bernardette Soubirous kann ich ja auch an ihrem Gedenktag mal was schreiben.
In letzter Zeit unterhalte ich mich öfter mit Leuten über meine Pilgererfahrungen. Das heißt, eigentlich eher über allgemeine Fragen zum Jakobsweg, die bei "unbeleckten" scheinbar zuerst auftauchen, wenn das Thema zur Sprache kommt.
Ich habe nämlich "den Jakobsweg gehen" als Therapieziel in der Reha angegeben. Und das steht mit der Anmerkung "schon 2x gemacht" jetzt in meiner Patientenakte.
Sehr praktisch, wenn der Therapeut, der einen meist nicht kennt, gleich weiß, worüber er so smalltalken kann, während der an Fuß herumarbeitet.
Also, nur um das mal zu bemerken, die im Rehazentrum halten das nicht für eine unmögliche Schnapsidee. Wenn ich es bis dahin auch finanziell wuppen kann, schaffen mein Schatz und ich das.
Jedenfalls kam mir so die Idee, mal einige allgemeine Fragen rund um das Pilgern auf dem Jakobsweg aus meiner Sicht zu beantworten.
Wenig Gepäck und gute, eingelaufene Wanderschuhe mitnehmen wäre zum Beispiel so ein allgemeiner Hinweis.
Aber den hatte ich ja schon mal ausführlicher erläutert.
Ich werde oft nach dem Zeitbedarf gefragt.
Meine Antwort dazu lautet: Kilometer Gesamt geteilt durch 19,5 ergibt die Zahl der Tage, die man braucht.
Man sollte mit 19 oder 20 km pro Tag rechnen, nicht mehr.
Ganz einfach deswegen, weil man auch mal einen freien Tag braucht, oder vielleicht mal einen Tag krank ist, wegen einer schlimmen Blase nur wenig schafft oder sich vielleicht mal eine der Städte durch die man wandert genauer ansehen will.
Wenn man für all das keine Zeit hat, kann der Pilgerweg schnell zu einer Fruststrecke werden.
Vielleicht entdecken Sie auch einmal nur einen Ort von ihrem Startpunkt entfernt eine total schnucklige Herberge in der Sie unbedingt übernachten wollen. Oder Sie bleiben in einem kostenlosen öffentlichen Freibad hängen. Oder ein Wanderkumpane mit dem Sie sich besonders gut verstehen, bekommt Grippe und Sie möchten gerne bei ihm bleiben, wenn er einen Ruhetag einlegt. Oder sie wollen in einer Stadt an einem Fest teilnehmen, oder bestimmte Museen besichtigen, oder, oder, oder... Doch auch wenn Ihnen was unangenehmes passiert, Sie sich verlaufen, Bettwanzen kriegen, wunde Füße haben, oder einfach mal von totaler Null-Bock-Stimmung geschlagen sind, müssen Sie keine Panik bekommen, weil Sie zu all dem Stress jetzt auch noch ein Problem mit Ihrem Zeitplan haben.
Die klassische Route; von Saint-Jean-Pied-de-Port nach Santiago ist etwas weniger als 800km lang.
Wer keine 40 Tage Zeit hat, fragt sich natürlich als nächstes, ob man nicht näher dran starten kann.
Man kann. Wer die Compostella, die kirchliche Urkunde, haben möchte und als Fußpilger unterwegs ist, muss mindestens die letzten 120km gelaufen sein.
An dieser Stelle ist es mir wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass es auf den letzten 120km eben genau deswegen einen wesentlich stärkeren und auch von der Atmosphäre deutlich anderen Publikumsverkehr gibt.
Die Hauptsaison auf dem Jakobsweg umfasst die Monate Juli und August.
Wer in der Hauptsaison nur die letzten 150km geht, wird keine Pilgererfahrung machen, sondern eine Art Pfadfinder-massentourismus erleben.
Ich hatte auf diesem Teil des Weges Tage, an denen eine 40-köpfige Pfadfindergruppe vor und eine ca. 60-köpfige hinter mir war. Ich habe in Herbergen erlebt, wie diese voll belegt waren mit Leuten, deren Gepäck per Transporter nachkam und die dann anfingen, Schminksets, Haarföne und Glätteisen aus großen Rollkoffern auszupacken. Ich habe erlebt, wie, 10 Minuten nachdem ich mich zum Ausruhen auf eine Wiese gesetzt hatte, eine Reisegruppe dort einfiel, dann noch eine und eine dritte, und dann kamen Transporter angefahren und für alle zusammen wurde ein großes Buffet aufgebaut. Ich bin an meinem vorletzten Tag einer meiner beiden Touren 54km weit gelaufen, weil alle Herbergen und Hotels voll belegt waren.
Sowas überlebt man nur mit einigen Wochen Pilgererfahrung im Rücken.
Man hat sich seine innere sozusagen Ruhe bereits festgetreten.
Man kann mit anderen Langstreckenpilgern vielsagende Blicke tauschen.
Man kann die Greenhorns mit ihren neu aussehenden Schuhen verachten und über so Stillosigkeiten wie Gepäcktransport die Nase rümpfen.
Man kann Wiedersehen feiern, wenn man jemanden trifft, den man von der ersten Woche kennt. Und das schöne ist: sowas passiert einem dann mehrmals am Tag.
All das braucht man einfach, wenn man in der Hauptsaison auf dem letzten Stück des Jakobsweges unterwegs ist.
Also: wenn Sie wenig Zeit haben, gehen sie den Anfang des Camino Frances ab Saint-Jean. Oder gehen Sie in der Nebensaison, Anfang Juni oder Ende September. Oder gehen Sie jedes Wochenende eine Etappe, oder jedes Jahr eine Woche bis Sie da sind. Man muss den Jakobsweg nämlich nicht am Stück gehen.
Sparen Sie nicht an der Zeit, indem Sie sich ein höheres Tagespensum geben.
Ich habe Pilger getroffen, die liefen jeden Tag 40 bis 50 km. Von halb 5 bis nach 9 Uhr abends. Wenn ich die nach einem Ort gefragt habe; "Habt ihr den besonders schönen Platz gesehen, hat euch jene Statue von Christus als Pilger auch so gerührt, fandet ihr diese Kirche auch so beeindruckend und jene Herberge so toll...?" kam immer: "Nein, das haben wir gar nicht gesehen, das ist uns gar nicht aufgefallen, das wissen wir nicht mehr genau." Nun ja. Wenn man zu Hause auf dem Laufband 40km am Tag geht, bekommt man halt keine Compostella.
Geht das ohne Vorbereitung?
Ebenfalls eine häufg gestellt Frage, manchmal auch in der Form, dass man mich fragt, wie ich mich vorbereitet habe.
Kaufen Sie sehr gute und sehr sorgfältig ausgesuchte Wanderschuhe und gehen bzw. wandern Sie so viel mit diesen, dass sie gut eingelaufen sind.
Beim ersten Mal bin die drei Monate davor jeden Tag 4 bis 8 km in meinen neu angeschafften Wanderschuhen gelaufen und war dann überrascht, wie einfach ich, körperlich gesehen, die erste Etappe fand. Wenn man in Saint-Jean startet ist die erste Etappe die Pyrenäenüberquerung auf der Route Napoleon.
Man steigt von ca. 200 MüdM auf 1420 und wieder runter auf ca. 900 MüdM.
Ich und mein Reisebegleiter haben das bei meiner zweiten Tour ein Jahr später auch ohne besondere Vorbereitung geschafft, wie übrigens auch den ganzen Rest des Weges. Wobei mein Freund sehr große Probleme mit seinen Füßen hatte ich manchmal echt besorgt war, da seine Schuhe einfach schlecht waren. Und es war nicht gerade ein Billigmodel, sie waren nur schlecht ausgewählt!
Was ich ebenfalls unter Vorbereitung zähle und als überflüssig ansehe sind Karten und/oder die Fähigkeit, Karten zu lesen oder Orientierungssinn.
Folgen Sie den gelben Pfeilen.
Falls Sie mal irgendwo sind, wo man nicht fragen kann, weil weit und breit kein Mensch oder sonstiges Leben zu sehen ist, und es kommt eine nicht beschilderte Abzweigung: schauen Sie, ob sie den Pfeil nicht übersehen haben. Wenn da wirklich keiner ist, gehen Sie geradeaus.
Noch ein Wort, das ich vergaß, gilt es einzufügen: Man muss damit rechnen, dass Diebe gezielt in die Herbergen kommen, daher sollte man einen wasserfesten Brustbeutel haben, in dem man all seine Wertsachen mit in die Dusche nehmen kann.
Wirklich gut und nützlich ist ein Pilgerführer, in dem etwas zu den Herbergen drinsteht.
Das gibt ihnen die Möglichkeit, sich vorher zu überlegen, in was für einer Atmosphäre und mit was für einem Klientel zusammen Sie übernachten wollen.
Außerdem haben Sie, falls Sie in der Nebensaison oder ganz außerhalb der Saison unterwegs sind, die Möglichkeit, nachzusehen, welche Herbergen geöffnet sind.
Aus diesen Gründen empfehle ich den Outdoor Führer von Raimund Joos.
Ich persönlich würde immer die christlichen Herbergen empfehlen. Sie waren mein Garant für schöne Begegnungen, tolle Tischgemeinschaft, urige Pilgeratmosphäre und Leute, mit denen man sich einfach auch mal tiefschürfender unterhalten kann.
Ganz abgesehen davon sind die gemeinsamen Gebete, zu denen in christlichen Herbergen oft eingeladen wird, wirklich meist sehr schön. Auch mein Begleiter auf meiner zweiten Tour, der sonst absolut keine Verbindung zur Kirche hat, fand diese Erfahrungen immer gut und war teilweise auch sehr gerührt bzw. nachdenklich durch die Art, wie man bei gemeinsamem Gebet interagiert.
Ich denke, wer den Jakobsweg wirklich kennenlernen und auf sich wirken lassen will, sollte sich durchaus mit dem christlichen Ursprung und Ziel des Weges in Kontakt bringen und auseinandersetzen.
Diese Herbergen und Veranstaltungen sind immer für alle offen und fordern meiner Erfahrung nach keinerlei Bekenntnis ein.
Man kann doch auch mit dem Rad pilgern?
Kann man.
Der Jakobsweg bietet oft extrem schwieriges Gelände, schmale und unebene Pfade, spitze Steine, steile Steigungen und Abhänge, enge Kurven und überwucherte Wege.
Wer nicht Mountainbiker ist, kann die schwersten Abschnitte oft umfahren, indem er auf Bundesstraßen fährt.
Ich habe durchaus sehr glücklich und zufrieden aussehende Radpilger getroffen, kann dazu aber wenig sagen.
Ich perönlich würde mich lieber umbringen, als diesen Weg per Rad zurückzulegen. Isso.
Muss man bis Finisterre?
Nein, muss man nicht.
Ich habe mich beide Male dagegen entschieden.
Pilger, die nicht so viel Zeit haben, diesen Teil auch noch zu Fuß zu gehen, machen öfter eine Tagestour per Bus dorthin.
Ich persönlich habe auf meinem Weg auf zusätzliche Aktivitäten wie Tagestouren nach dem ganz nahe gelegenen Ort X, Besuche in den Museen Y und Z usw. bewusst verzichtet, weil ich bei mir und dem Laufen bleiben wollte. Mir war die unmittelbare Erfahrung mit dem Weg wichtig und für mich spielten da die Kirchen und auch die Besichtigung der Städte durch die ich kam eine wichtige Rolle, aber das ist eine perönliche Entscheidung.
Wenn Sie mit 20 km pro Tag planen, haben Sie auch Zeit für eventuelle Besichtigungstouren oder eben einen Abstecher nach Finisterre.
Es kann sogar sein, dass Sie, je nach persönlichem Lauftempo, am Ende so viel Zeit übrig haben, dass Sie tatsächlich zu Fuß weiterpilgern könnten.
Andere Routen...
Dazu kann ich recht wenig sagen; es gibt Jakobswege in ganz Europa.
Ich kenne keinen der weiteren Wege aus Erfahrung.
Auf meinen Pilgerreisen habe ich Jakobspilger getroffen, die komplett von Holland aus gelaufen sind, von München, Genf, Köln, Paris.
Die Route von Le Puy en Veley soll landschaftlich sehr sehr schön, aber auch sehr anspruchsvoll sein.
Der Camino del Norte an der Atlantikküste würde mich noch interessieren, spannend finde ich auch den portugiesischen Weg.
Generell kann man sagen, dass die Dichte an Pfeilen und Herbergen auf weniger bekannten Wegen geringer ist, dafür ist es aber oft auch wesentlich ruhiger.
Passen Sie blos auf eines auf: Pilgern kann süchtig machen!
Pyrenäen an der Route Napoleon |
Vor Roncesvalles |
San Anton |
Aufstieg nach Castrojeritz |
Kathedrale von Leon |
Abstieg von den Montes de Leon nach dem Cruz de Ferres |
Die Kathedrale von Santiago |
Diese schönen Fotos sind doch schon mal eine Spende wert, oder?
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