Freitag, 26. Januar 2018

SoulKitchen #4: Unterwegs im Auftrag des Herrn

So, Freunde: Leicht erschöpft melden wir uns aus einer ereignisreichen Woche, in der praktisch jeden Tag „irgendwas mit Kirche“ anstand. Was im Prinzip natürlich gut ist: Die „tote Christenheit... aus dem Schlaf der Sicherheit“ zu wecken, wie es in dem alten Gotteslob-Schlager „Sonne der Gerechtigkeit“ so schön heißt, ist schließlich eine Aufgabe, bei der es keinen Tag zu verlieren gilt. Anstrengend wird’s aber, wenn man ein Baby hat, das zwar tagsüber meist lieb, brav und gut gelaunt ist, dafür aber abends regelmäßig Krawall macht. (Ich vermute mal, das sind diese vieldiskutierten Drei-Monats-Koliken. Die müssten dann eigentlich bald mal vorbei sein...)

Viel geschlafen haben wir also nicht. Aber gut gegessen! Hier der Speiseplan:


Donnerstag: Fischfilets mit Spinat und Reis

Momentchen: Hätte es das nicht schon letzten Mittwoch geben sollen? – Eigentlich ja. Aber dann war Suse am späten Nachmittag aufgefallen, dass sie den Spinat schon am Vormittag aus dem Gefrierfach hätte nehmen sollen. Sicherlich wäre es auch so noch möglich gewesen, den tiefgefrorenen Spinatklotz auf dem Feuer zu schmelzen, aber Suse disponierte kurzentschlossen um, und es gab Bandnudeln in Pesto-Sahnesoße mit Mais und schwarzen Oliven.

Am Donnerstag jedenfalls hatten wir nachmittags Besuch vom Pfarrer. Nachdem wir just an dem Wochenende, an dem in unserer Pfarrei die Sternsinger unterwegs gewesen waren, anlässlich der MEHR-Konferenz in Augsburg waren, hatten wir uns gedacht, einen Segen für die Wohnung können wir doch hoffentlich trotzdem bekommen, einschließlich der einschlägigen Kreidezeichen an der Tür – die sind ja schließlich auch eine Art Zeugnis den Nachbarn gegenüber. Der Pfarrer kam diesem Ansinnen gern entgegen, und auch vom konkreten Anlass abgesehen war es wohl mal ganz gut, sich in privater Atmosphäre mit ihm zu unterhalten. Wir sind ja noch relativ neu in der Gemeinde.



Zum Essen blieb der Pfarrer allerdings nicht.




Freitag: Falafel-Halloumi-Taschen

Tagsüber gab es keine besonderen Vorkommnisse, am Abend war, wie schon vorigen Freitag, Kreis junger Erwachsener in einer von unserem Zuhause aus leider ziemlich entfernten Pfarrei (wofür die Pfarrei nichts kann, es liegt eher daran, dass wir so weit draußen wohnen). Wir zögerten diesmal lange mit der Entscheidung, ob wir da hinfahren wollten oder lieber in unserem eigenen Kiez zur Anbetung und zur Abendmesse. Oder einfach zu Hause bleiben. Schließlich entschieden wir uns doch, den weiten Weg auf uns zu nehmen; aber da wir uns einerseits nicht wieder den ganzen Abend nur von Knabberzeugs ernähren wollten, uns andererseits aber auch nicht sicher waren, als wie realistisch sich die Variante „vom KJE-Treffen aus einfach eine Pizza bestellen“ erweisen würde, besorgte ich uns vor unserem Aufbruch schnell noch Falafel-Halloumi-Taschen vom Libanesen an der Ecke.

Da eine gewisse kleine Person eine Weile brauchte, um sich dazu überreden zu lassen, sich ins Tragetuch wickeln zu lassen, verzögerte sich unser Aufbruch dann noch etwas, mit dem Ergebnis, dass wir an unserem Zielort die Anbetung versäumten und erst kurz vor dem Ende der Predigt in der Kirche ankamen. Aber immerhin, den wichtigsten Teil der Messe bekamen wir noch mit. – Beim KJE lautete das Thema diesmal „Ordensleben heute“, und als Gastreferenten waren ein Dominikanerpater aus dem Kloster in Moabit und eine Schwester der „Kongregation der Helferinnen“ dabei, die in einer Wohngemeinschaft in Lichtenberg lebt. Beide fielen übrigens durchaus in das Alterssegment der „jungen Erwachsenen“; ich erwähne das deshalb, weil ja viele zu denken scheinen, Ordensleben sei heutzutage nur noch etwas für alte Leute, während die jungen in Neuen Geistlichen Gemeinschaften sind. Präziser gesagt: Das ist es, was optimistische Katholiken denken. Alle anderen glauben, junge Leute wären überhaupt nicht religiös.


Samstag: Pelmeni

Am Nachmittag fand in einem freikirchlichen Café im Wedding eine Veranstaltung unter dem Titel „Sternstunde“ statt; bei dieser (monatlichen) Veranstaltungsreihe waren wir im vorigen Jahr schon zwei- oderdreimal gewesen, nun aber schon eine ganze Weile nicht mehr, also fanden wir, es sei mal wieder an der Zeit. Bei unseren früheren Besuchen der „Sternstunde“ hatten wir eine nette Familie aus Heiligensee (mit vier Kindern, das jüngste noch nicht ganz zwei Jahre alt) kennengelernt und freuten uns, diese jetzt wiederzusehen; insbesondere die älteste Tochter unterhielt sich sehr angeregt mit Suse. Allerdings sollte man für die Zukunft vielleicht mal darüber nachdenken, sich mit dieser Familie in einem anderen Rahmen zu treffen als bei der „Sternstunde“, denn die Veranstaltung an sich war eher weniger erfreulich. Normalerweise ist es ein fester Bestandteil des Veranstaltungskonzepts, dass jemand ein „Zeugnis“ gibt; das war diesmal jedoch nicht der Fall, stattdessen kündigte der Gastgeber an, er wolle einige Gedanken über den Unterschied (wo nicht gar Gegensatz) zwischen Glaube und Religion zur Diskussion stellen.

Ich konnte mir schon vorstellen, was das werden sollte. In Teilen des evangelikalen Spektrums ist „Religion“ ein ausgesprochen negativ besetzter Begriff, der einerseits mit „Gesetzlichkeit“ und andererseits mit einer ritualisierten Frömmigkeitspraxis assoziiert wird; „wahres Christsein“, so lautet mehr oder weniger explizit die Argumentation, sei gerade keine „Religion“, sondern eine authentische, persönliche Beziehung zu Jesus Christus. Durchaus folgerichtig geht diese Sichtweise häufig einher mit der Ablehnung liturgischer Gottesdienstformen, da diese eben „religiös“ (und somit angeblich unauthentisch) seien. Dass ihre eigenen, vermeintlich so „authentischen“ und individuellen Frömmigkeitsformen zwar ästhetisch wesentlich anspruchsloser, aber in Wirklichkeit nicht weniger stark formalisiert sind, kommt dieser Sorte Evangelikaler selten, wenn je, in den Sinn.

Was an diesem Vortrag (der übrigens, wie der Vortragende mehrfach betonte, „kein Vortrag“ sein sollte – aber was dann?) wirklich nervte, war allerdings der Umstand, dass er verworren und redundant zugleich war. Irgendwie versuchte der Gastgeber, den Unterschied zwischen „Glaube“ und „Religion“ zu den Lehren des Apostels Paulus über Gesetz und Gnade in Beziehung zu setzen, kriegte es aber nicht so richtig hin und widersprach sich durchschnittlich in jedem dritten Satz selbst. Die anschließende Publikumsdiskussion machte vollends deutlich, was für eine Zumutung und Überforderung es darstellt, dass das evangelikale Christentumsverständnis es jedem einzelnen Gläubigen abverlangt, selbständig die Bibel zu interpretieren. Mit Blick auf die paulinische Gegenüberstellung von Gesetz und Gnade brachen komplexe Meinungsverschiedenheiten über die Frage aus, ob und inwieweit das Gesetz des Alten Bundes auch heute noch Gültigkeit habe, und das Ganze gipfelte bizarrerweise in der Frage, ob es nicht einen Verstoß gegen die Zehn Gebote darstelle, dass Christen den Sonntag heilig halten statt den Samstag. Offenkundig überfordert mit dieser Frage, behauptete der Gastgeber aus dem Ärmel heraus, die Heiligung des Sonntags sei erst irgendwann im 2. Jahrtausend von der Katholischen Kirche eingeführt worden, und das sei ein Beispiel unter vielen dafür, wie die Katholische Kirche „ihre eigene Religion erfunden“ habe. Einige Gäste stiegen nur allzu gern auf diese Schiene ein und echauffierten sich über Priestertum und Beichte: Das habe doch nichts mit Jesus zu tun.

Na, wie dem auch sei: Zu Hause gab's Pelmeni aus dem Gefrierfach, angerichtet mit saurer Sahne, Gewürzgürkchen und Roter Bete, sodass auch dieser Tag noch ein erfreuliches Ende nahm.



Sonntag: Syrisches Buffet

In unserer Pfarrkirche stand, wie an jedem dritten Sonntag im Monat, ein Familiengottesdienst an; aber es gab kein Entrinnen, da ich schon vor Wochen – ohne einen Gedanken an das Datum zu verschwenden – eingewilligt hatte, den Lektorendienst zu übernehmen. Nun ja, wenigstens wurde die 1. Lesung (Jona 3,1-5.10) nicht – wie in den Lektorenhilfen des Katholischen Bibelwerks allen Ernstes angeregt wird – szenisch aufgeführt. Dafür aber das Evangelium.

Merke: Ein Familiengottesdienst, der es nicht schafft, die Frage "Was soll das?" zu provozieren, kann einpacken. (frei nach Heiner Müller) 

Anschließend fuhren wir mit dem Bus zur Nachbarpfarrei, wo der Flüchtlingsausschuss des Pfarrgemeinderats einen „Kennenlerntag“ mit Flüchtlingsfamilien aus Syrien veranstaltete. Mit gemeinsamem Kochen und Essen. Als wir an der Zielhaltestelle aus dem Bus ausstiegen, sahen wir, wie sich vor der Kirche eine Gruppe von Mädchen im Teenageralter versammelte. Mir kam zwar kurz der Gedanke „Na, ob die auch da hinwollen, wo wir hinwollen?“, aber bezeichnenderweise glaubte ich das nicht ernsthaft. War aber doch so: Sie gehörten zum laufenden Firmkurs des Pfarreiverbands. Die teilnehmenden syrischen Familien waren sehr nett und hatten viele Kinder, darunter eins, das nur knapp drei Wochen älter war als unseres; und das Essen war sehr gut und sehr reichlich.





Und nach dem Essen... ergriff eine Dame vom Humanistischen Verband das Wort, verteilte Flyer für ein von ihrer Organisation verantwortetes Kiezprojekt in Tegel-Süd, gab eine Telefon- und Mailadressenliste herum und, nun ja, „warb“ sehr engagiert darum, dass man sich da auch wirklich eintrug. Ich dachte, ich seh' und hör' nicht richtig. Was macht eine Vertreterin des Humanistischen Verbands bei einer kirchlichen Veranstaltung? Noch konsternierter war ich angesichts der Tatsache, dass die anwesenden Vertreter des Pfarrgemeinderats offenbar gar nicht auf die Idee kamen, daran könne irgendwas verkehrt sein. Man kann sich so etwas kaum ausdenken: Da stellt die Pfarrei ein (im Ganzen sehr gelungenes!) Erstkontakt-Angebot zum gegenseitigen Kennenlernen von Gemeindemitgliedern und Flüchtlingen auf die Beine, klopft sich auf die Schulter und überlässt alles Weitere – sprich: die potentiellen Früchte dieses Erstkontakts – dem Humanistischen Verband. Was kommt als nächstes? Sommerfest mit Satanisten? Suse und ich hatten eigentlich den Gedanken im Hinterkopf gehabt, bei Gelegenheit dieser Veranstaltung mal ein bisschen mit den Leuten aus dem Flüchtlingsausschuss des Pfarrgemeinderats darüber ins Gespräch zu kommen, was genau sie eigentlich für die Flüchtlinge tun, und dabei auch auf Initiativen wie Elijah21 zu sprechen zu kommen. Diesbezüglich ließ uns der Auftritt der Dame vom Humanistischen Verband nun allerdings ziemlich die Luft raus.

(Ich will eigentlich gar nicht auf den Veranstaltern herumhacken. Das sind nette Leute. Vielleicht wussten sie nicht so genau, was der Humanistische Verband ist und tut – wobei das auch schon irgendwie peinlich wäre. Ich vermute eher, es steckt eine Auffassung dahinter, die die Kirche in erster Linie als eine zivilgesellschaftliche Institution unter vielen betrachtet und die Pfarrei folglich als einen lokalen Träger bürgerschaftlichen Engagements; wenn man das so sieht, ist es natürlich nicht ohne Weiteres einsichtig, wieso man nicht mit dem Humanistischen Verband zusammenarbeiten sollte. Ob der das umgekehrt auch so sieht oder sich über „unsere“ Blödheit ins Fäustchen lacht, sei mal dahingestellt.)

Am Abend hielt sich unser Hunger in Grenzen; ich machte mir lediglich ein Sandwich, bestehend aus (ungetoastetem) Dinkeltoast vom Foodsharing mit gesalzener Butter, Kräuterfrischkäse, Schweinebraten und Cheddar. Für Suse machte ich im wesentlichen dasselbe, allerdings wollte sie kein Sandwich, sondern lieber zwei einzelne Stullen. Das wurden also eine mit gesalzener Butter und Cheddar und eine mit Kräuterfrischkäse und Schweinebraten.


Montag: Tagliatelle Bolognese

Am Morgen Frühmesse, anschließend Rosenkranzgebet, dann ins Pfarrbüro, um Organisatorisches wegen der anstehenden Tauffeier unserer kleinen Mädchentochter zu besprechen. Im Anschluss besorgte ich dann noch die Einkäufe fürs Abendessen, während Frau und Kind schon mal nach Hause gingen. Zur Belohnung gab's dann am Abend Bandnudeln mit hausgemachter Bolognese-Soße. Mjam mjam. 




Dienstag: Belegte Baguettes vom Foodsaving

Am Mittag hatte ich ein konspiratives Business-Lunch mit einem katholischen Unternehmer aus Köln, der gerade aus beruflichen Gründen in Berlin war; den Kontakt hatte Benedict Option-Autor Rod Dreher vermittelt.

Am Abend hatte Suse dann einen erneuten Foodsaving-Einsatz in einer Bäckerei, und diesmal fiel die Beute besonders üppig aus. Neben ungefähr sieben ganzen Brotlaiben brachte sie große Mengen an Brötchen und sonstigem Kleingebäck mit nach Hause, dazu vier große Plastikboxen voller belegter Baguettes. Einige davon – belegt z.B. mit Mett, Thunfisch oder als Großgarnelen getarntem Krebsfleischimitat – schrien geradezu danach, möglichst bald verzehrt zu werden, und damit war das Thema Abendessen dann auch schon abgehakt.




Weniger erfreulich war, dass im weiteren Verlauf des Abends Suses Mobiltelefon den Geist aufgab.


Mittwoch: Weitere belegte Baguettes vom Foodsaving

Was für ein Leben: Morgens, mittags und abends belegte Baguettes! Alles andere, was Suse am Abend zuvor erbeutet hatte, brachten wir im Laufe des Vormittags bei der Suppenküche der Franziskaner in Pankow vorbei, anschließend kauften wir im Klosterladen des Karmels in Charlottenburg eine Taufkerze für das Kind und wanden uns (also ich mich zumindest) mit Grausen angesichts dessen, was dieser Laden sonst noch so alles führt. 


Der Rauch des Satans ist in den Klosterladen des Berliner Karmels eingedrungen. 

Und schließlich kümmerten wir uns noch um Suses Handyproblem, mit dem bemerkenswerten Erfolg, das nebst eines neuen Mobilfunktarifs auch für mich ein neues mobiles Endgerät heraussprang. Und damit war der Tag auch schon wieder so gut wie um!


(...und dann erwischte mich eine offenbar schon länger vor sich hin brütende Erkältung, und der Internetanschluss in der Wohnung machte Zicken. Deshalb erscheint dieser Artikel mit leichter Verspätung. Aber keine Bange, es ist schon alles wieder auf dem Weg der Besserung!) 




4 Kommentare:

  1. Was ist denn eine "Mädchentochter"? Ist das nicht redundant?

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  2. Dazu bitte die "Genau so Geschichten von Rudyard Kipling lesen.

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  3. Hallo zusammen, als normalerweise ziemlich schweigsame Blogleserin wollte ich euch mitteilen, dass ich die "SoulKitchen" super finde! (Simcha Fisher lese ich auch schon seit einer Ewigkeit) ;-) Nicht nur was es zu essen gab, sondern auch die Zusatzgeschichten sind toll. Und mich hätten der Werbeblock des humanistischen Verbandes und der Klosterladen wahrscheinlich auch einigermaßen stark gegraust ;-)
    Habt ihr die Serie schon wieder eingestellt?

    - Magdalena

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    1. Wie schön das freut das Schreiberherz... nein wir haben nur einfach zu viel zu tun im Moment ;D

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