Humboldpinguin Quelle: Wikipedia (https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Akumiszcza) |
Nein, ich rede nicht von Dezibel oder von Farbspektren.
An den Gearderobenschränken des neulich von mir besuchten Spaßbades fanden sich Hinweise, dass bitte keine Liegen zu reservieren seien.
Nun ja.
Mir persönlich war es egal, dass alle von mir gesichteten Liegen zwar nicht besetzt aber durch Handtücher belegt waren. Ich bin vielleicht verrückt genug, ein Spaßbad zu besuchen. Aber so irre, dass ich mich zum Entspannen direkt vor dem Wellenbecken - der Lärmquelle Nr. 1 - betten wollte bin ich dann doch nicht.
Auch sonst schien sich niemand darum zu kümmern.
Während Seitens des Bademeisters strikt darauf geachtet wurde, dass sich bei Wellengang keiner zu nah an den Beckenrand mit der Wellenmaschine wagte (der bekam dann wenigstens was zu tun als ich da war), schien es für die Liegen keinen zuständigen "Wachdienst" zu geben.
Dieses kapitulierende Achselzucken wurde meines, als ich im Saunabereich des Bades eine ähnliche Lage der Dinge erblickte.
Hm.
Da würde es meinem Schatz und mir wohl schwer werden, für die zwischen den Saunagängen obligatorische Ruhephase einen Platz zu finden. Dabei war es im Spa Bereich nicht nur deutlich ruhiger als im Spaßbad, es wirkte auch viel leerer. Gut besucht, aber nicht voll.
Tatsächlich wären wohl 80, wenn nicht sogar 90 Prozent der Liegen frei gewesen, wenn sie eben nicht durch Handtücher belegt worden wären.
Nun ja.
Die Menschen sind eben so.
Schließlich entdeckten mein Schatz und ich einen als "Raum der Stille" deklarierten abgetrennten Bereich, auf dessen Tür folgendes zu lesen war:
"In diesem Raum wird um absolute Ruhe gebeten. Das belegen von Liegen mit Handtüchern ist nicht erlaubt. Reservierte Liegen werden vom Personal geräumt."
Super, dachten wir. Problem gelöst.
In dem Raum mit etwa 40 Liegen waren nicht mal 10 mit Ruhenden belegt und es fanden sich immerhin ganze (!) 3 Stück, auf denen keine Handtücher lagen.
Ein bisschen mulmig war mir schon, als mein Liebster und ich nach unserer Ruhephase beschlossen, mit gutem Beispiel voranzugehen und unsere Liegen kompett zu räumen.
Wir verstauten also alle Handtücher, die wir nicht mit in die Sauna nehmen würden, in einem der zahlreich bereitgestellten Regale und siehe da: Als wir zurück kamen waren die 2 Liegen noch frei, und außerdem (vielleicht lag es an der vorgerückten Zeit?) 3 weitere!
Ich war mit der Regel - mäßigen Säumigkeit in diesem Betrieb versöhnt. Doch bevor die Phantasien, in denen ich alle Handtücher persönlich von den Liegen sammle und als großen Stapel am Infothresen abgebe, ganz abgeklungen waren, wurden wir Zeugen der folgenden Szene:
"Entschuldigen Sie, aber das waren unsere Plätze."
"Nein, das war meine Liege, hier lagen meine Sachen."
"Also! Wir waren doch vor kaum 10 Minuten noch hier und das waren unsere Liegen!"
"Hier sind doch auch noch unsere Sachen. Wahrscheinlich habe Sie die selbst rübergeräumt!"
"Ja, dann haben Sie eben Pech gehabt, hier darf man eh keine Liegen reservieren. Ich bin auch weggeräumt worden!"
"Aber Sie dürfen das oder was?! Wenn Sie sich hier Liegen reservieren, dann könne wir das ja wohl auch!"
"Komm dann gehen wir eben da hin. Das hat ja keinen Sinn hier!"
Während der Mann sich noch eine ganze Weile laut flüsternd aufregte, verlangten meine Saunaerschöpfung und ich immer deutlicher nach etwas mehr Ruhe im "Raum der Stille"
Ein Verlangen, dass das laute Geflüster des streitbaren Pärchens schließlich mit einem laut zischenden "Pssst" durchbrach, was der Mann mit einem verächtlichen "Jetzt regt die sich schon auf." quittierte.
Offensichtlich fand der diese ganzen Regeln lächerlich.
Ist ja auch logisch, wenn sich eh keiner dran hält.
So richtig lustig wurde es aber erst, als ein älteres Pärchen reinkam. Der Mann war mir schön mal aufgefallen, weil er sich trotz - oder wegen? - seines vorgerückten Alters nicht mal bemühte, im "Raum der Stille" leise zu sein. Weder flüstern noch schweigen schienen für ihn eine bekannte Option.
Nun ja, dachte ich mir, die sind gerade reingekommen und sortieren sich noch, die werden bestimmt gleich... Nach gefühlt 10 Minuten - wahrscheinlich waren es nur 5 - hatte ich die Nase voll:
"Mein Gott, dann gehen Sie doch raus, wenn Sie sich unterhalten wollen!" entfuhr es mir in nicht gerade freundlichem Ton.
Das war natürlich unzumutbar unhöflich von mir.
Der bereits aus dem Liegenstreit bekannte Herr fuhr mich auch gleich an: "Ja dann geh doch ins Kloster!"
Ich brachte gerade noch eine Replik a lá "Hier gibt es doch genug andere Räume mit Liegen..." hervor, dann versank ich in staunendem Grübeln über die Sache.
Ich meine, darauf, einen Vorschlag zum Klosterbesuch als Beleidigung zu benutzen, muss man auch erst mal kommen.
Aber vor allem fiel mir auf, dass ich dieses Problem aus der Schule kenne:
Da niemand die Regeln durchsetzt, empfinden es die Betroffenen als ungerecht, wenn ausgerechnet sie sich daran halten sollen. Und jeder, der aus der Gruppe heraus versucht, die Befolgung der Regeln anzumahnen, rutscht in die Position des Verräters und avanciert so zum Arschloch des Tages.
Ich kenne das, wenn Schüler, die sonst als brav und strebsam bekannt sind, auch beginnen, laut zu quatschen, nachdem sich erst mal eine gewisse Unruhe im Klassenraum breit gemacht hat, die letztlich dadurch entsteht, dass der Leher Regelverstöße nicht rechtzeitig und nicht deutlich genug geahndet hat. Gerade junge und von Natur aus gutmütige Kollegen, bei denen man eigentlich denken würde, Schüler mögen sie besonders gerne, haben deshalb oft Schwierigkeiten. Dabei schätzen unruhige Schüler es durchaus, wenn man für sie Verständnis hat und ihre Bemühngen, trotz Hibbeligkeit gut mitzuarbeiten, hornoriert.
Aber:
Gerade die schwierigen Schüler, die trotz natürlicher Inkompabilität mit dem System Schule fachlich gute Leistungen erbringen oder zumindest dazu fähig sind wissen, dass sie auch Hilfe dabei brauchen, sich selbst zu disziplinieren.
Und für die Klasse muss der Lehrer auch als Garant der schulischen Ordnung stehen können. Wenn er diese nicht gewährleisten kann, weil er aus Gutmütigkeit Ausnahmen macht und Regelverstöße nicht ahndet, verliert er an Glaubwürdigkeit, weil es als ungerecht empfunden wird.
Sich an Regeln halten muss sich nämlich auch lohnen. Die meisten Lehrer sind mit Lob eher sparsam. Folglich gerät das System in die Schieflage, wenn Regelverstöße keine spürbaren Nachteile mit sich bringen.
Und genau das konnte man im "Raum der Stille" auch beobachten.
Man könnte das Problem lösen, indem die Mitarbeiter wirklich alle 5 Minuten alle reservierten Liegen räumen und die Betroffenen sich ihre Handtücher dann an der Infotheke abholen müssen.
Oder, man verbietet das Mitbringen eigener Bademäntel und Handtücher und gibt dieselben kostenlos an die Besucher aus, so dass letztere alle gleich aussehen und deswegen auch nicht mehr zum Reservieren von Liegen taugen.
Mein Schatz und ich jedenfalls hatten mit der Imagination entsprechender Szenarien viel Spaß.
Abschließend fiel uns noch die Parallele zu einem auch in der Psychologie aus sozialwissenschaftlicher Forschung bekanntem Phänomän auf: Dem broken-windows-Effekt.
Das Handtuch auf der Liege ist das zerbrochene Fenster der Sauna.
Und der zu gutmütige Leherer das im System Schule. (Ups, was! - Das habe ich nicht gesagt.)
Nun, es gibt auch andere Saunalandschaften: im "Mediterrana" (googeln lohnt sich) in Moizfeld bei Köln werden Liegen tatsächlich konsequent abgeräumt. Und siehe da, es gibt immer freie Liegen.
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