Sonntag, 1. Juli 2018

Kein Wunder

Im Februar dieses Jahres wurde die 70. Wunderheilung von Lourdes offiziell anerkannt. Das ausgeklügelte Verfahren, mit dem die Heilungen untersucht werden, welche Pilger dem medizinischen Büro in Lourdes vorlegen, siebt aus den vielen Erlebnissen von Heilung und Besserung des persönlichen Zustandes diejenigen aus, bei denen eine nachweislich spontane, nicht erklärbare Heilung geschah. Die Untersuchung erfolgt anhand überprüfbarer Kriterien durch ein internationales Komitee unabhängiger Mediziner. Wenn diese eine Heilung als nicht erklärbar einstufen, ist es die Aufgabe der Diozese von Lourdes, darüber zu entscheiden, ob dies als Wunder anerkannt wird.

Es gibt Wunder.
Die Tatsache, dass diese nicht erklärbar sind, ja dass es sie nach wissenschaftlichen Erkenntnissen überhaupt nicht geben dürfte, zeichnet sie als Wunder aus.
Manche dieser Wunder - wie z.B. die Heilungen von Lourdes - sind sehr gut belegt.



Im heutigen Sonntagsevangelium (1.07.18, 13. Sonntag im Jahreskreis) werden gleich zwei Wunderheilungen geschildert: die Heilung der blutflüssigen Frau und die Auferweckung der Tochter des Synagogenvorstehers Jairus.

Es ist eine seltsame Gewohnheit moderner Theologie, die Schilderung der Krankheit und der Heilung zu einem bloßen Symbol zu erklären. Frei nach dem Motto "weil nicht sein kann was nicht sein darf" wird die blutflüssige Frau dann schnell mal ein frühes Beispiel für das Münchhausen-Syndrom oder die Tochter des Jairus wird zum vernachlässigten Kind überarbeiteter Eltern, deren Prioritäten Jesus im Rahmen der Wunderheilung wieder geraderückt.

Ich persönlich habe für diese Art des Wegerklärens immer weniger Verständnis, ja es macht mich inzwischen regelrecht wütend.
Natürlich ist es legitim, sich zu fragen, was die einzelne Wundererzählung dem Bibel lesenden Christen heute über sein eigenes Glaubensleben zu sagen hat. Doch nichts spricht dagegen, das geschilderte Heilungswunder als solches stehen zu lassen und anzuerkennen.

Ich möchte im Folgenden begründen, warum das "Wegerklären" von Wundern aus meiner Sicht nicht nur nutzlos und überflüssig ist, sondern auch schadet.

1. Dass es Wunder gibt, ist mit Hilfe von aktuellen Fällen wie z.B. den Wunderheilungen von Lourdes leicht nachzuvollziehen. Man kann diese als Beispiel nutzen, um leicht anhand nachvollziehbarer Kriterien zu erläutern, warum es manchmal Sinn macht, etwas als Wunder anzuerkennen und inwieweit diese Anerkennung auch aus wissenschaftlicher Sicht plausibel erscheinen kann.
Man darf auch gerne darüber aufklären, dass ein Wunder genauso einwandfrei belegbar sein kann wie jede andere historisch faktische Begebenheit. Ein Wunder zeichnet sich nämlich nicht primär dadurch aus, dass es unklar wäre, ob es wirklich passiert ist, sondern dadurch, dass das, was passiert ist nicht erklärbar ist.
2. Wenn wir also erkennen, dass es auch heute Geschehnisse gibt, die von unabhängigen Wissenschaftlern und Medizinern als unerklärlich eingestuft werden, dann gibt es absolut keinen Grund, nicht auch anzuerkennen, dass solche Wunder auch in biblischen Zeiten geschehen sein können.
3. Für Gläubige Menschen ist die Authentizität biblischer Wunderberichte umso plausibler, als dass noch heute durch Gebet und/oder Fürsprache Mariens und der Heiligen Wunder geschehen; wie viel mehr ist es da wahrscheinlich, dass Menschen in der leibhaftigen Begegnung mit Jesus in seiner gottmenschlichen Natur auf Erden geheilt wurden!
4. Für Nichtgläubige ist es schlichtweg egal, ob wir an die Authentizität biblischer Berichte glauben - und zwar ganz unabhängig davon, ob es sich dabei um Wunderheilungen oder andere Berichte aus dem Leben und Wirken Jesu handelt. Wer nicht glaubt, dass es Gott gibt und/oder dass dieser Gott Jesus ist, der uns am Kreuz erlöst hat, dessen Unglaube wird nicht dadurch infrage gestellt, dass wir sagen, die Wundererzählungen seien nur symbolisch gemeint.
Man kann die Menschen, die nicht an Christus glauben, grob in folgende Gruppen einteilen: a) Agnostiker, denen es vereinfacht gesagt egal ist, ob es Gott gibt, b) Atheisten, die Gott ablehnen und c) Angehörige anderer Religionen oder Kulte. Keiner von diesen wird sagen: "Ja also das Jesus als wahrer Mensch und wahrer Gott auf die Welt gekommen, gestorben und auferstanden ist und uns erlöst hat; das würde ich ja schon glauben, wenn da nicht diese Berichte von Wundern wären, die Jesus gewirkt haben soll. Also göttliche und menschliche Natur, Auferstehung und Erlösung - ja klar; aber dass er Krankheiten geheilt haben soll - nee, also da wird es mir echt zu viel."
5. Selbst wenn man Menschen durch das Negieren alles Übernatürlichen dazu bringen könnte, anzuerkennen, dass es diesen Jesus wirklich gegeben hat - das ist dann irgendwie auch egal.  Wenn an Jesus nämlich nichts Übernatürliches ist, dann ist er auch nicht Gott und dann muss ich auch nicht an ihn glauben; jedenfalls nicht mehr als an Che Guevara oder an Mahatma Gandhi. Oder an mich selbst.

Was bleibt?
Auf die Frage, wieso man so etwas macht - also warum man als Theologe eine Erklärung überlegt, die auf abenteuerlichen Wegen Möglichkeiten findet, hinter der Wundererzählung auf jeden Fall etwas anderes zu sehen  und auf keinen Fall etwas Übernatürliches - bleibt eigentlich nur eine Antwort:
Offenbar mangelt es vielen am nötigen Mut, sich den eigenen Unglauben einzugestehen und sich von Christus hinausführen zu lassen in das, was alles menschliche Denken übersteigt.
Offenbar nimmt sich so mancher lieber eine Idee davon her, wie Jesus ein toller Mensch und ein gutes Vorbild gewesen sei, als sich mit dem wahren Gott und Herrn Jesus Christus herumzuplagen.
Nun ja: in Wirklichkeit haben wir alle diese Tendenz. Ich denke aber, gerade die Theologie sollte uns helfen, dem nicht nachzugeben und stattdessen Gott die Ehre zu geben.

Bei mir bleibt auch die Frage: Wieso predigt man denn so etwas? Für wen? Woher kommt die Einbildung, dass ausgerechnet in der Kirche allsonntäglich Menschen versammelt sind, die vor der Zumutung des Unerklärlichen die Nase rümpfen? Wieso nimmt man an, dass die biblischen Berichte über Wunderheilungen Jesu durch Umdeutungen und Verharmlosungen entschärft werden müssen, während andere Medien, die von unerklärlichen Dingen berichten (wie z.B. die Serie X-Faktor), absolut erfolgreich sind?

Nun ja, mag da so mancher sagen: vielleicht gäbe es bessere Predigten als solche, die die von Christus geheilten Krankheiten kurzerhand zur Einbildung der Geheilten oder zum Indikator für zu geringe Beachtung der Kinder  erklären. Dennoch schadet es ja wohl nicht.
Aber mal ehrlich: was würden wir wohl sagen, wenn ein Priester einer schwer kranken Frau bescheinigt, sie würde sich das nur einbilden? Oder wenn jemand zu den Eltern eines im Sterben liegenden Mädchens sagte, ihr Kind sei ja nur krank geworden, weil diese zu viel arbeiten würden, statt mal ihre Zeit dem Familienleben zu widmen? Klingt zynisch? Ist es auch. Und genau deshalb regt es mich auf, wenn eine Predigt so damit beschäftigt ist, auf keinen Fall ein Wunder zuzugeben. Es ist zynisch und ungerecht. Es nimmt weder die biblischen Gestalten ernst noch die Zuhörer noch Gott.

Was hätte wohl die dieses Jahr als Wunderheilung anerkannte Ordensschwester gesagt, wenn man ihr übergeholfen hätte, ihre Krankheit sei nur eine Einbildung gewesen und habe im Wesentlichen auf Geltungssucht beruht?

Freitag, 26. Januar 2018

SoulKitchen #4: Unterwegs im Auftrag des Herrn

So, Freunde: Leicht erschöpft melden wir uns aus einer ereignisreichen Woche, in der praktisch jeden Tag „irgendwas mit Kirche“ anstand. Was im Prinzip natürlich gut ist: Die „tote Christenheit... aus dem Schlaf der Sicherheit“ zu wecken, wie es in dem alten Gotteslob-Schlager „Sonne der Gerechtigkeit“ so schön heißt, ist schließlich eine Aufgabe, bei der es keinen Tag zu verlieren gilt. Anstrengend wird’s aber, wenn man ein Baby hat, das zwar tagsüber meist lieb, brav und gut gelaunt ist, dafür aber abends regelmäßig Krawall macht. (Ich vermute mal, das sind diese vieldiskutierten Drei-Monats-Koliken. Die müssten dann eigentlich bald mal vorbei sein...)

Viel geschlafen haben wir also nicht. Aber gut gegessen! Hier der Speiseplan:


Donnerstag: Fischfilets mit Spinat und Reis

Momentchen: Hätte es das nicht schon letzten Mittwoch geben sollen? – Eigentlich ja. Aber dann war Suse am späten Nachmittag aufgefallen, dass sie den Spinat schon am Vormittag aus dem Gefrierfach hätte nehmen sollen. Sicherlich wäre es auch so noch möglich gewesen, den tiefgefrorenen Spinatklotz auf dem Feuer zu schmelzen, aber Suse disponierte kurzentschlossen um, und es gab Bandnudeln in Pesto-Sahnesoße mit Mais und schwarzen Oliven.

Am Donnerstag jedenfalls hatten wir nachmittags Besuch vom Pfarrer. Nachdem wir just an dem Wochenende, an dem in unserer Pfarrei die Sternsinger unterwegs gewesen waren, anlässlich der MEHR-Konferenz in Augsburg waren, hatten wir uns gedacht, einen Segen für die Wohnung können wir doch hoffentlich trotzdem bekommen, einschließlich der einschlägigen Kreidezeichen an der Tür – die sind ja schließlich auch eine Art Zeugnis den Nachbarn gegenüber. Der Pfarrer kam diesem Ansinnen gern entgegen, und auch vom konkreten Anlass abgesehen war es wohl mal ganz gut, sich in privater Atmosphäre mit ihm zu unterhalten. Wir sind ja noch relativ neu in der Gemeinde.



Zum Essen blieb der Pfarrer allerdings nicht.




Freitag: Falafel-Halloumi-Taschen

Tagsüber gab es keine besonderen Vorkommnisse, am Abend war, wie schon vorigen Freitag, Kreis junger Erwachsener in einer von unserem Zuhause aus leider ziemlich entfernten Pfarrei (wofür die Pfarrei nichts kann, es liegt eher daran, dass wir so weit draußen wohnen). Wir zögerten diesmal lange mit der Entscheidung, ob wir da hinfahren wollten oder lieber in unserem eigenen Kiez zur Anbetung und zur Abendmesse. Oder einfach zu Hause bleiben. Schließlich entschieden wir uns doch, den weiten Weg auf uns zu nehmen; aber da wir uns einerseits nicht wieder den ganzen Abend nur von Knabberzeugs ernähren wollten, uns andererseits aber auch nicht sicher waren, als wie realistisch sich die Variante „vom KJE-Treffen aus einfach eine Pizza bestellen“ erweisen würde, besorgte ich uns vor unserem Aufbruch schnell noch Falafel-Halloumi-Taschen vom Libanesen an der Ecke.

Da eine gewisse kleine Person eine Weile brauchte, um sich dazu überreden zu lassen, sich ins Tragetuch wickeln zu lassen, verzögerte sich unser Aufbruch dann noch etwas, mit dem Ergebnis, dass wir an unserem Zielort die Anbetung versäumten und erst kurz vor dem Ende der Predigt in der Kirche ankamen. Aber immerhin, den wichtigsten Teil der Messe bekamen wir noch mit. – Beim KJE lautete das Thema diesmal „Ordensleben heute“, und als Gastreferenten waren ein Dominikanerpater aus dem Kloster in Moabit und eine Schwester der „Kongregation der Helferinnen“ dabei, die in einer Wohngemeinschaft in Lichtenberg lebt. Beide fielen übrigens durchaus in das Alterssegment der „jungen Erwachsenen“; ich erwähne das deshalb, weil ja viele zu denken scheinen, Ordensleben sei heutzutage nur noch etwas für alte Leute, während die jungen in Neuen Geistlichen Gemeinschaften sind. Präziser gesagt: Das ist es, was optimistische Katholiken denken. Alle anderen glauben, junge Leute wären überhaupt nicht religiös.


Samstag: Pelmeni

Am Nachmittag fand in einem freikirchlichen Café im Wedding eine Veranstaltung unter dem Titel „Sternstunde“ statt; bei dieser (monatlichen) Veranstaltungsreihe waren wir im vorigen Jahr schon zwei- oderdreimal gewesen, nun aber schon eine ganze Weile nicht mehr, also fanden wir, es sei mal wieder an der Zeit. Bei unseren früheren Besuchen der „Sternstunde“ hatten wir eine nette Familie aus Heiligensee (mit vier Kindern, das jüngste noch nicht ganz zwei Jahre alt) kennengelernt und freuten uns, diese jetzt wiederzusehen; insbesondere die älteste Tochter unterhielt sich sehr angeregt mit Suse. Allerdings sollte man für die Zukunft vielleicht mal darüber nachdenken, sich mit dieser Familie in einem anderen Rahmen zu treffen als bei der „Sternstunde“, denn die Veranstaltung an sich war eher weniger erfreulich. Normalerweise ist es ein fester Bestandteil des Veranstaltungskonzepts, dass jemand ein „Zeugnis“ gibt; das war diesmal jedoch nicht der Fall, stattdessen kündigte der Gastgeber an, er wolle einige Gedanken über den Unterschied (wo nicht gar Gegensatz) zwischen Glaube und Religion zur Diskussion stellen.

Ich konnte mir schon vorstellen, was das werden sollte. In Teilen des evangelikalen Spektrums ist „Religion“ ein ausgesprochen negativ besetzter Begriff, der einerseits mit „Gesetzlichkeit“ und andererseits mit einer ritualisierten Frömmigkeitspraxis assoziiert wird; „wahres Christsein“, so lautet mehr oder weniger explizit die Argumentation, sei gerade keine „Religion“, sondern eine authentische, persönliche Beziehung zu Jesus Christus. Durchaus folgerichtig geht diese Sichtweise häufig einher mit der Ablehnung liturgischer Gottesdienstformen, da diese eben „religiös“ (und somit angeblich unauthentisch) seien. Dass ihre eigenen, vermeintlich so „authentischen“ und individuellen Frömmigkeitsformen zwar ästhetisch wesentlich anspruchsloser, aber in Wirklichkeit nicht weniger stark formalisiert sind, kommt dieser Sorte Evangelikaler selten, wenn je, in den Sinn.

Was an diesem Vortrag (der übrigens, wie der Vortragende mehrfach betonte, „kein Vortrag“ sein sollte – aber was dann?) wirklich nervte, war allerdings der Umstand, dass er verworren und redundant zugleich war. Irgendwie versuchte der Gastgeber, den Unterschied zwischen „Glaube“ und „Religion“ zu den Lehren des Apostels Paulus über Gesetz und Gnade in Beziehung zu setzen, kriegte es aber nicht so richtig hin und widersprach sich durchschnittlich in jedem dritten Satz selbst. Die anschließende Publikumsdiskussion machte vollends deutlich, was für eine Zumutung und Überforderung es darstellt, dass das evangelikale Christentumsverständnis es jedem einzelnen Gläubigen abverlangt, selbständig die Bibel zu interpretieren. Mit Blick auf die paulinische Gegenüberstellung von Gesetz und Gnade brachen komplexe Meinungsverschiedenheiten über die Frage aus, ob und inwieweit das Gesetz des Alten Bundes auch heute noch Gültigkeit habe, und das Ganze gipfelte bizarrerweise in der Frage, ob es nicht einen Verstoß gegen die Zehn Gebote darstelle, dass Christen den Sonntag heilig halten statt den Samstag. Offenkundig überfordert mit dieser Frage, behauptete der Gastgeber aus dem Ärmel heraus, die Heiligung des Sonntags sei erst irgendwann im 2. Jahrtausend von der Katholischen Kirche eingeführt worden, und das sei ein Beispiel unter vielen dafür, wie die Katholische Kirche „ihre eigene Religion erfunden“ habe. Einige Gäste stiegen nur allzu gern auf diese Schiene ein und echauffierten sich über Priestertum und Beichte: Das habe doch nichts mit Jesus zu tun.

Na, wie dem auch sei: Zu Hause gab's Pelmeni aus dem Gefrierfach, angerichtet mit saurer Sahne, Gewürzgürkchen und Roter Bete, sodass auch dieser Tag noch ein erfreuliches Ende nahm.



Sonntag: Syrisches Buffet

In unserer Pfarrkirche stand, wie an jedem dritten Sonntag im Monat, ein Familiengottesdienst an; aber es gab kein Entrinnen, da ich schon vor Wochen – ohne einen Gedanken an das Datum zu verschwenden – eingewilligt hatte, den Lektorendienst zu übernehmen. Nun ja, wenigstens wurde die 1. Lesung (Jona 3,1-5.10) nicht – wie in den Lektorenhilfen des Katholischen Bibelwerks allen Ernstes angeregt wird – szenisch aufgeführt. Dafür aber das Evangelium.

Merke: Ein Familiengottesdienst, der es nicht schafft, die Frage "Was soll das?" zu provozieren, kann einpacken. (frei nach Heiner Müller) 

Anschließend fuhren wir mit dem Bus zur Nachbarpfarrei, wo der Flüchtlingsausschuss des Pfarrgemeinderats einen „Kennenlerntag“ mit Flüchtlingsfamilien aus Syrien veranstaltete. Mit gemeinsamem Kochen und Essen. Als wir an der Zielhaltestelle aus dem Bus ausstiegen, sahen wir, wie sich vor der Kirche eine Gruppe von Mädchen im Teenageralter versammelte. Mir kam zwar kurz der Gedanke „Na, ob die auch da hinwollen, wo wir hinwollen?“, aber bezeichnenderweise glaubte ich das nicht ernsthaft. War aber doch so: Sie gehörten zum laufenden Firmkurs des Pfarreiverbands. Die teilnehmenden syrischen Familien waren sehr nett und hatten viele Kinder, darunter eins, das nur knapp drei Wochen älter war als unseres; und das Essen war sehr gut und sehr reichlich.





Und nach dem Essen... ergriff eine Dame vom Humanistischen Verband das Wort, verteilte Flyer für ein von ihrer Organisation verantwortetes Kiezprojekt in Tegel-Süd, gab eine Telefon- und Mailadressenliste herum und, nun ja, „warb“ sehr engagiert darum, dass man sich da auch wirklich eintrug. Ich dachte, ich seh' und hör' nicht richtig. Was macht eine Vertreterin des Humanistischen Verbands bei einer kirchlichen Veranstaltung? Noch konsternierter war ich angesichts der Tatsache, dass die anwesenden Vertreter des Pfarrgemeinderats offenbar gar nicht auf die Idee kamen, daran könne irgendwas verkehrt sein. Man kann sich so etwas kaum ausdenken: Da stellt die Pfarrei ein (im Ganzen sehr gelungenes!) Erstkontakt-Angebot zum gegenseitigen Kennenlernen von Gemeindemitgliedern und Flüchtlingen auf die Beine, klopft sich auf die Schulter und überlässt alles Weitere – sprich: die potentiellen Früchte dieses Erstkontakts – dem Humanistischen Verband. Was kommt als nächstes? Sommerfest mit Satanisten? Suse und ich hatten eigentlich den Gedanken im Hinterkopf gehabt, bei Gelegenheit dieser Veranstaltung mal ein bisschen mit den Leuten aus dem Flüchtlingsausschuss des Pfarrgemeinderats darüber ins Gespräch zu kommen, was genau sie eigentlich für die Flüchtlinge tun, und dabei auch auf Initiativen wie Elijah21 zu sprechen zu kommen. Diesbezüglich ließ uns der Auftritt der Dame vom Humanistischen Verband nun allerdings ziemlich die Luft raus.

(Ich will eigentlich gar nicht auf den Veranstaltern herumhacken. Das sind nette Leute. Vielleicht wussten sie nicht so genau, was der Humanistische Verband ist und tut – wobei das auch schon irgendwie peinlich wäre. Ich vermute eher, es steckt eine Auffassung dahinter, die die Kirche in erster Linie als eine zivilgesellschaftliche Institution unter vielen betrachtet und die Pfarrei folglich als einen lokalen Träger bürgerschaftlichen Engagements; wenn man das so sieht, ist es natürlich nicht ohne Weiteres einsichtig, wieso man nicht mit dem Humanistischen Verband zusammenarbeiten sollte. Ob der das umgekehrt auch so sieht oder sich über „unsere“ Blödheit ins Fäustchen lacht, sei mal dahingestellt.)

Am Abend hielt sich unser Hunger in Grenzen; ich machte mir lediglich ein Sandwich, bestehend aus (ungetoastetem) Dinkeltoast vom Foodsharing mit gesalzener Butter, Kräuterfrischkäse, Schweinebraten und Cheddar. Für Suse machte ich im wesentlichen dasselbe, allerdings wollte sie kein Sandwich, sondern lieber zwei einzelne Stullen. Das wurden also eine mit gesalzener Butter und Cheddar und eine mit Kräuterfrischkäse und Schweinebraten.


Montag: Tagliatelle Bolognese

Am Morgen Frühmesse, anschließend Rosenkranzgebet, dann ins Pfarrbüro, um Organisatorisches wegen der anstehenden Tauffeier unserer kleinen Mädchentochter zu besprechen. Im Anschluss besorgte ich dann noch die Einkäufe fürs Abendessen, während Frau und Kind schon mal nach Hause gingen. Zur Belohnung gab's dann am Abend Bandnudeln mit hausgemachter Bolognese-Soße. Mjam mjam. 




Dienstag: Belegte Baguettes vom Foodsaving

Am Mittag hatte ich ein konspiratives Business-Lunch mit einem katholischen Unternehmer aus Köln, der gerade aus beruflichen Gründen in Berlin war; den Kontakt hatte Benedict Option-Autor Rod Dreher vermittelt.

Am Abend hatte Suse dann einen erneuten Foodsaving-Einsatz in einer Bäckerei, und diesmal fiel die Beute besonders üppig aus. Neben ungefähr sieben ganzen Brotlaiben brachte sie große Mengen an Brötchen und sonstigem Kleingebäck mit nach Hause, dazu vier große Plastikboxen voller belegter Baguettes. Einige davon – belegt z.B. mit Mett, Thunfisch oder als Großgarnelen getarntem Krebsfleischimitat – schrien geradezu danach, möglichst bald verzehrt zu werden, und damit war das Thema Abendessen dann auch schon abgehakt.




Weniger erfreulich war, dass im weiteren Verlauf des Abends Suses Mobiltelefon den Geist aufgab.


Mittwoch: Weitere belegte Baguettes vom Foodsaving

Was für ein Leben: Morgens, mittags und abends belegte Baguettes! Alles andere, was Suse am Abend zuvor erbeutet hatte, brachten wir im Laufe des Vormittags bei der Suppenküche der Franziskaner in Pankow vorbei, anschließend kauften wir im Klosterladen des Karmels in Charlottenburg eine Taufkerze für das Kind und wanden uns (also ich mich zumindest) mit Grausen angesichts dessen, was dieser Laden sonst noch so alles führt. 


Der Rauch des Satans ist in den Klosterladen des Berliner Karmels eingedrungen. 

Und schließlich kümmerten wir uns noch um Suses Handyproblem, mit dem bemerkenswerten Erfolg, das nebst eines neuen Mobilfunktarifs auch für mich ein neues mobiles Endgerät heraussprang. Und damit war der Tag auch schon wieder so gut wie um!


(...und dann erwischte mich eine offenbar schon länger vor sich hin brütende Erkältung, und der Internetanschluss in der Wohnung machte Zicken. Deshalb erscheint dieser Artikel mit leichter Verspätung. Aber keine Bange, es ist schon alles wieder auf dem Weg der Besserung!) 




Mittwoch, 17. Januar 2018

SoulKitchen #3: Wenn Brokkoli den Weg allen Fleisches geht

Tja, liebe Leser: Bevor ich mit der Schilderung der kulinarischen Höhepunkte der letzten sieben Tage beginne, muss ich erst mal noch ein Foto von letzterWoche nachliefern. Es ist ja eine gute, von Simcha Fisher übernommene Tradition, das Essen, das es am Erscheinungstag der Kolumne geben soll, lediglich vage anzukündigen – was u.a. auch den Vorteil hat, dass die Kolumne schon vor dem Abendessen online gehen kann. Nun gab es aber ausgerechnet letzten Mittwoch das zumindest optisch opulenteste Essen der ganzen Woche:


Im Ofen gebackene Hähnchenkeulen mit Gemüse, dazu Couscous. Man muss dazu sagen, dass die Hähnchenkeulen eine halbe Ewigkeit brauchten, um richtig durchzugaren. Aber bis dahin hielten wir uns am Couscous schadlos. 




Donnerstag: Rostbratwürstchen mit Couscous

Die Impfskeptiker unter den Lesern dieses Blogs mögen kurz mal die Augen zumachen: Wir haben's getan, wir haben unser Baby impfen lassen. Und zwar gegen allen Scheiß. Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Kinderlähmung, Rota-Viren und noch irgendwas. Der Arzt bereitete uns darauf vor, dass die Kleine am Abend wahrscheinlich Fieber bekommen werde; das sei normal und werde am nächsten Tag überstanden sein. Tatsächlich hielten sich ihre Beschwerden jedoch in sehr engen Grenzen, und das war auch gut so, denn ich musste am späten Nachmittag bzw. frühen Abend weg, um mich in der Kirche um den Abbau des Weihnachtsbaums zu kümmern. Ich hatte ja bereits angedeutet, dass das innerhalb der Gemeinde ein ziemlich heikles Thema war; das wäre wohl, wenn ich mal dazu komme, einen separaten Artikel auf „Huhn meets Ei“ wert. Die Kurzfassung lautet jedenfalls: Der Baum-Abbau gelang gut und ging schneller als gedacht, und als ich wieder nach Hause kam, gab es als schnelles Abendessen Würstchen aus der Pfanne mit Couscous vom Vortag. 





Freitag: nur Knabberkram

Mit Einkäufen fürs Wochenende, einem Trip zur Zentral- und Landesbibliothek zwecks Abholung diverser Fernleihbestellungen (ich liebe Fernleihe!) und allgemeiner Babybetüdelung (es soll ja angeblich Väter geben, die sich nicht mal für zwanzig Minuten am Tag die Zeit nehmen, ihrem schlafenden Kind beim Atmen zuzusehen. Die wissen gar nicht, was ihnen entgeht!) ging der Tag schnell rum, und für den Abend standen mehrere Alternativpläne zur Wahl: Anbetung und Abendmesse in „unserer“ Kirche (7 Minuten die Straße runter), dann zu Hause essen; Anbetung und Abendmesse in einer anderen Kirchengemeinde und dort dann anschließend zum „Kreis junger Erwachsener“ (wo wir seit vorletztem Herbst recht regelmäßig hingegangen waren, in jüngster Zeit aber, wegen des Babys, seltener); oder erst was essen und dann zu einem recht vielversprechenden Chorkonzert in einer evangelischen Kirche im Wedding. Für Suse stand außerdem noch die Alternative im Raum, einfach mit dem Baby zu Hause zu bleiben, in welchem Falle ich mir auch noch mal überlegt hätte, ob ich Lust habe, allein loszuziehen. Schließlich einigten wir uns aber auf den Kreis junger Erwachsener – was, wie uns auf dem Weg dorthin bewusst wurde, bedeutete, dass wir an diesem Tag kein warmes Abendessen bekamen. Beim KJE gibt’s immer nur Knabberkram. „Wir sollten mal den Vorschlag machen, in Zukunft lieber eine Pizza zu bestellen“, merkte Suse an. (Oder, noch besser, etwas kochen? Küche wäre vorhanden.)

Wie dem auch sei: Der Weg durch die halbe Stadt lohnte sich. Anbetung und Messe waren sehr schön, und der Diakon hielt eine durch ihre fragmentarisch und improvisiert wirkende Form irritierende, aber – vielleicht nicht zuletzt auch dadurch – sehr anregende Predigt. Beim KJE-Treffen gab es diesmal kein vorgegebenes Thema, sondern jeder durfte und sollte seine persönlichen Glaubensfragen und -anliegen in die Runde werfen. Ich war diesem Konzept gegenüber von vornherein skeptisch gewesen und hatte schon vor dem Aufbruch zu Suse gesagt: „So kann man nicht sinnvoll Katechese betreiben.“ Der Diskussionsverlauf bestätigte meine Bedenken zunächst. Sehen wir den Tatsachen ins Auge, Freunde: Die katechetische Bildung hierzulande ist ein Trauerspiel. In der Gesprächsrunde konnte man den Eindruck gewinnen, jeder der anwesenden jungen Erwachsenen (durchweg überdurchschnittlich kirchennahe junge Erwachsene, sonst wären sie kaum in dieser Gruppe) habe hier und da ein paar Bruchstücke der kirchlichen Lehre verstanden, und diese Stücke passen allesamt nicht zusammen. (Das soll nicht besserwisserisch klingen. Ich selbst hatte zwar eine vergleichsweise ziemlich gute Firmkatechese, musste aber trotzdem Jahre später nach und nach feststellen, was ich so alles nicht gelernt hatte, und habe trotz aller Bemühungen, diese Defizite aufzuarbeiten, zweifellos auch heute noch erhebliche Bildungslücken in diesem Bereich.) Der Kaplan, der die Diskussion leitete, war leider auch keine große Hilfe. Ein bezeichnendes Beispiel: Eine junge Dame aus dem Kreis hatte eine komplexe Frage zur Heilsnotwendigkeit der Kirche und zur Apokatastasis, und nachdem so ziemlich jeder aus der Runde etwas dazu gesagt hatte und sich daraus ein eher verworrenes Bild ergab, fragte ich den Kaplan: „Haben wir einen Katechismus hier?“ Er blockte diesen Klärungsversuch jedoch ab, weil er darin den Versuch sah, mittels eines Autoritätsarguments die Diskussion abzuwürgen. Daraufhin wurde ich prompt etwas unwirsch. „Sind wir nur hier, damit jeder mal darüber reden kann, wie er sich fühlt, oder wollen wir hier was lernen?“, blaffte ich.
Mein Lieblingsmoment in der Debatte kam, als die Fragestellerin daraufhin wissen wollte, ob es denn nun eine lehramtliche Aussage zu ihrer Frage gebe oder nicht. Ich bejahte, und sie erwiderte: „Dann sollten wir vielleicht wirklich mal in den Katechismus gucken.“


Samstag: Gebratene Gnocchi mit Hähnchenbruststreifen und Paprika

Eigentlich hätte es Brokkolisuppe geben sollen. Wir hatten nämlich noch Brokkoli, der langsam mal verbraucht werden musste. Aber als der Abend nahte, stellte Suse fest, dass sie keine Lust auf Suppe hatte. „Wir können die Suppe ja schon mal vorbereiten und bis morgen kaltstellen“, schlug sie vor. „Oder bis Montag, dann können wir noch einen Becher Sahne zum Verfeinern kaufen.“ Ich war einverstanden. Aber erst mal hatte Suse einen Einsatz als Lebensmittelretterin – in einer nahen Bäckerei. Danach stand – während der Brokkoli vor sich hin dünstete – kurzzeitig die Option im Raum, Sushi zu bestellen, aber dann hatte Suse eine andere Idee: Sie briet Gnocchi zusammen mit Hähnchenbruststreifen und Paprika in der Pfanne an, fügte Pesto und Parmesan hinzu, und fertig war ein leckeres Abendessen.



Um die Gnocchi wenigstens teilweise knusprig zu bekommen, war es notwendig, sie ein bisschen am Pfannenboden anbrennen zu lassen. Die Pfanne sah danach schlimm aus. Aber mit einigen Tagen Abstand kann ich zu Protokoll geben: Wir haben sie wieder sauber gekriegt!


Sonntag: Gulasch mit Kartoffel- und Semmelknödeln

Am Abend zuvor hatte das Baby uns (und damit auch sich selbst) ziemlich lange wach gehalten, und so stand es an diesem Sonntagmorgen durchaus ein bisschen auf der Kippe, ob wir es pünktlich zur Kirche schaffen würden. Okay, für den Notfall hätte es noch eine Abendmesse gegeben; aber schließlich trafen wir doch noch während des Einzugslieds in der Kirche ein, und im Anschluss an die Messe fand der monatliche, von der Kolpingsfamilie organisierte „Sonntagstreff“ statt – gemütliches Beisammensein bei Kaffee, Kuchen, belegten Brötchen und Suppe. Ewig lange konnten wir dort allerdings nicht verweilen, da sich ab mittags ein paar Leutchen bei uns angekündigt hatten, die einige der am Vortag aus der Bäckerei geretteten Brote und Brötchen abholen wollten. Und am Nachmittag kamen einmal mehr die Omas zum Baby-Angucken vorbei – aber nur kurz. Zum Abendessen waren wir wieder allein. Es gab Gulasch aus der Dose und dazu zwei Sorten Fertigknödel, die nur in der Soße erhitzt werden mussten.



Im Laufe der Zubereitung äußerte Suse Zweifel an den Mengenverhältnissen; schließlich zeigte sich, dass Knödel und Soße von der Menge her perfekt zusammen passten, nur das Fleisch musste man mit der Lupe suchen. Von der Gesamtmenge her war es allerdings deutlich mehr als genug.


Montag: Brokkolicremesuppe

„Die Suppe sieht deshalb so bräunlich aus, weil die Brokkolistrünke karamellisiert sind.“
„Du meinst angebrannt.“
„KARAMELLISIERT!“



(Schmeckte übrigens wirklich gut.)


Dienstag: Sushi

Gegen Mittag hatte Suse mal wieder einen Foodsaving-Einsatz im Biomarkt, daher wurde die Entscheidung darüber, was es zum Abendessen geben sollte, vorerst zurückgestellt: Es hätte ja sein können, dass die im Biomarkt geretteten Lebensmittel hier ein gewichtiges Wort mitzureden haben würden. Das war aber nicht der Fall: Suse brachte lediglich Brot, Brötchen und etwas Ziegenfrischkäse mit nach Hause.
So richtig Lust zu kochen hatte Suse daraufhin nicht, und da endlich der Elterngeld-Bescheid angekommen war und ich zudem in absehbarer Zeit das Honorar für eine Buchübersetzung erwarte, sagten wir uns: Gönnen wir uns mal ein bisschen Luxus und bestellen Sushi.



Ausgezeichnet.


Mittwoch: Fisch mit Spinat und irgendeiner Sättigungsbeilage

Kartoffeln haben wir noch da, für Reis müsste ich noch mal raus, und es schneit draußen. Hmmm.





Mittwoch, 10. Januar 2018

SoulKitchen #2: Keine Zeit zum Kochen!



Tja, Freunde: Es ist schon wieder Mittwoch und somit SoulKitchen-Zeit – allerdings ist unsere Küche während des Großteils der vergangenen sieben Tage kalt geblieben, da wir uns anlässlich der MEHR 2018 in Augsburg aufgehalten haben. In puncto Foodblog gibt es also nicht viel zu berichten, dafür aber umso mehr (pun intended) anderes; und wir wollen ja nicht gleich die zweite Folge der neuen Serie ausfallen lassen, sonst kehrt hier direkt wieder der Schlendrian ein. Ich kenn' uns doch.

Also: Wohlan!


Donnerstag: Mitgebrachtes vom Asia-Imbiss

Aus gutem Grund waren wir schon einen Tag vor der Eröffnung der MEHR-Konferenz nach Augsburg gereist: Reisen mit Baby, selbst mit einem im Allgemeinen sehr ruhigen und heiteren Baby, ist doch anstrengender, als jemand, der das noch nie gemacht hat, es sich vielleicht vorstellen würde, und so waren wir ganz froh, den Abend nach unserer Ankunft und den nächsten Vormittag noch „frei“ zu haben. Nebenbei bemerkt ist die MEHR ja auch eine Art Familientreffen für Hardcore-Katholen, die sonst den Großteil des Jahres fast ausschließlich via Internet miteinander kommunizieren; somit standen wir den Tag über mit einigen unserer Freunde in regem digitalem Nachrichtenaustausch über klassische Fragen wie „Wann kommt ihr an, wo übernachtet ihr, wann und wo können wir uns mal treffen?“ und trafen immerhin zwei dieser Freunde schon vor Konferenzbeginn im Hotel. Ehe wir aufbrachen, machte sich Suse auf die Pirsch, um in Hotelnähe etwas zu Essen zu organisieren. Hier das Ergebnis dieser Bemühungen:


Oben: Frittierte Hähnchenteile mit Erdnusssoße; unten: Ente knusprig mit Thai-Curry-Gemüse. Und natürlich Reis. In bester Gilmore-Girls-Manier teilten wir uns beide Gerichte miteinander. Und dann ging's auch schon los!

Mit der Straßenbahn kamen wir unproblematisch in die Nähe des Messegeländes und mussten dann noch ein Stück durch den Regen latschen. Dabei kamen wir an einer grimmigen, offenbar fundamentalistisch-evangelikal gesonnenen „Ein-Mann-Sekte“ vorbei: einem Typen, der mit Mikrofon und Lautsprecher am Wegesrand stand und den Zorn Gottes auf die an ihm vorbeiströmenden MEHR-Besucher herabrief. Na, seien wir ehrlich: Was wäre eine religiöse Großveranstaltung ohne Gegner?

Dass wir uns auf dem weitläufigen MEHR-Gelände (4 Hallen, insgesamt 35.000m² Fläche) erst einmal verliefen, trug uns immerhin eine nette persönliche Begrüßung durch Johannes Hartl ein, und dann trafen wir uns im Gebetshaus-Café im MEHR-Forum mit einigen der weiter oben schon erwähnten Freunde und trafen noch einige weitere, ohne uns eigens mit ihnen verabredet zu haben.

Wir hatten keine Tickets fürs MEHR-Auditorium, wo das Hauptprogramm stattfand, sondern für die als familienfreundlicher angekündigte MEHR-Space, wo es leiser und weniger voll war und man das Programm via Video-Großleinwand verfolgen konnte. Von dort aus schauten wir uns die Eröffnungsmoderation und den ersten Vortrag von Johannes Hartl („Jubeln für Anfänger“) an; der Vortrag gefiel mir ausgesprochen gut, er drehte sich hauptsächlich darum, dass Christen eigentlich viel freudiger sein müssten, als sie es oft sind, und ich musste unwillkürlich an die „Ein-Mann-Sekte“ draußen im Regen denken.

MEHR-Space mit Videoleinwand 
An den Vortrag schloss sich ein Konzert der Lobpreis-Band „Koenige und Priester“ an, aber die fanden wir nicht so doll und verzogen uns lieber in den Mutter-Kind-Raum (wieso heißt der eigentlich nicht „Eltern-Kind-Raum“? Wo bleibt denn da die Gendergerechtigkeit? Äh, schon gut.) Das Programm konnte man übrigens auch von dort aus verfolgen, auf einem leise gestellten Fernseher, den dazu passenden Ton gab's auf schnurlosen Kopfhörern. Wenn man denn wollte. Zu „Koenige und Priester“ nur so viel: Erst unlängst hatte ich mit Suse eine Diskussion über evangelikale Popmusik, und ich merkte an, nach meiner Erfahrung diene diese nicht nur oder nicht einmal in erster Linie missionarischen Absichten, sondern auch und vor allem dazu, die Jugendlichen aus den eigenen Reihen von der „bösen“ weltlichen Popmusik fernzuhalten, indem man ihnen ein Ersatzprodukt anbietet. Musikalisches Tofu, gewissermaßen, um nicht zu sagen musikalisches Methadon. Kickt nur leider nicht so wie das Original. Und da ist „Koenige und Priester“ ein gutes Beispiel, denn bei den Frontleuten dieser Band handelt es sich um mittelmäßig erfolglose ehemalige Casting-Show-Kandidaten: Florence Joy (dieser Name allein!) nahm 2004 an der zweiten Staffel von StarSearch teil, die Brüder Thomas und Jonathan Enns 2007 an der vierten Staffel von Deutschland sucht den Superstar. Zufällig war das die einzige DSDS-Staffel, die ich recht aufmerksam verfolgt habe, und die Enns-Brüder hatten zwar eine recht ansehnliche Fanbasis, aber sie waren wirklich nicht gut.

Wir verkrümelten uns daher schon ziemlich bald nach Beginn des Konzerts zurück ins Hotel.


Freitag: Großes asiatisches Büffet

Der Tag begann mit einer Heiligen Messe im „Raum der Stille“ um 8 Uhr. Wir waren zunächst etwas unsicher gewesen, ob wir es so früh schon zum Messegelände schaffen würden, aber wir hätten die Messfeier ungern versäumt, schließlich war Herz-Jesu-Freitag. Passenderweise weckte uns das Baby bereits gegen 5 Uhr, und als wir mit Windelwechsel, Füttern etc. fertig waren, stellten wir fest, dass es eigentlich die perfekte Zeit zum Aufbruch war. Der übellaunige Hardcore-Evangelikale mit dem Mikrofon war übrigens erneut am Start; diesmal beschimpfte er die MEHR-Besucher vor allem deshalb, weil sie so abscheuliche Dinge tun wie zusammen mit Katholiken beten. Schlimm.

Der Raum der Stille war während der gesamten Konferenz für Eucharistische Anbetung oder anderweitiges stilles Gebet geöffnet, und beinahe ganztägige Beichtgelegenheiten gab es dort auch. Im letzten Jahr hatte man diesem Zweck einen relativ kleinen Raum gewidmet, in diesem Jahr hingegen eine Halle mit 500 Sitzplätzen. Zur Messfeier waren diese nicht ganz voll besetzt, aber doch weitgehend.




Anschließend sahen wir uns in der MEHR-Space – also wiederum per Videoübertragung – den ersten Teil von Johannes Hartls Vortrag „Das entfesselte Evangelium“ an, den zweiten Teil dann vom Mutter-Kind-Raum aus. Der Vortrag war ausgezeichnet, ich machte mir drei Seiten handschriftliche Notizen; was jedoch ärgerlich war, war der Umstand, dass im Mutter-Kind-Raum (eigentlich nur ein Container innerhalb einer Messehalle) ein unfassbarer Lärm herrschte. Und der kam nicht von den Kleinkindern innerhalb des Raums, sondern von außerhalb des Raums. Da fand nämlich die Kinderbespaßung für die 3- bis 10-jährigen statt, und soweit man es nach Gehör beurteilen konnte, bestand die hauptsächlich aus extrem lärmiger Musik mit dumpfen Beats und daraus, die Kinder zum Brüllen zu animieren. Ich sag mal so: Suse und ich haben erhebliche Zweifel, ob wir unsere Tochter bei der MEHR 2021 und/oder in späteren Jahren einem solchen Programm aussetzen möchten. Ich könnte mich darüber noch länger auslassen, aber ich glaube, ich lasse es lieber sein.

Zum Mittagessen fuhren wir mit einigen unserer Freunde, auf zwei Autos verteilt, zu einem asiatischen Restaurant, das ein üppiges Büffet für nur 8 € pro Person anbot. Mit Fleisch, trotz Freitag, aber hey, wir waren schließlich auf Reisen.

Für das Nachmittagsprogramm war die Hallenbindung aufgehoben, also gingen wir ins Auditorium, wo der kanadische Priester James Mallon einen Vortrag darüber hielt, wie „ganz normale“ Pfarreien missionarisches Potential entfalten könnten. Hochinteressant, und zudem ist Fr. Mallon ein sehr unterhaltsamer Redner. Habe mir übrigens im Gebetshaus-Shop sein Buch („Wenn Gott sein Haus saniert“) gekauft; insgesamt wird zu diesem Thema sicherlich noch mehr zu sagen sein, aber das dann eher auf „Huhn meets Ei“ und nicht hier. – Anschließend gingen wir wieder in die MEHR-Space, wo verschiedene katholische Neuevangelisations-Initiativen vorgestellt wurden: Adoray aus der Schweiz; All for One aus Fulda (fand ich persönlich eher bäh, aber das mag an mir liegen); Elijah21, ein Projekt zur Missionierung v.a. muslimischer Flüchtlinge; Loretto; Nightfever; das Zentrum Johannes Paul II. aus Wien; und YOUCAT. Die Veranstaltung war leider nicht ganz so interessant, wie ich sie mir vorgestellt hatte, und außerdem mussten Frau und Kind dringend mal zurück ins Hotel. Auf den Schweizer Megachurch-Pastor Leo Bigger, der den Hauptvortrag des Abends hielt, hatten wir sowieso nicht so richtig Lust. Auf diese Weise verpassten wir die Live-Vorstellung des „Mission Manifest“, aber über Facebook und Twitter bekam ich trotzdem einiges davon mit, während das Baby Krawall machte und nicht einschlafen wollte. Nachdem es den ganzen Tag über extrem brav gewesen war, machte sich nun wohl doch die Reizüberflutung bemerkbar. Schon doof, wenn man nicht mal im Mutter-Kind-Raum ein bisschen Ruhe hat...

(Mehr zum „Mission Manifest“ dann wohl auch irgendwann demnächst mal auf „Huhn meets Ei“.)


Samstag: Zweierlei Braten mit Blaukraut und Knödel

Einigermaßen zerschlagen von der vorangegangenen Nacht, kamen wir diesmal nicht so zeitig aus den Federn und erreichten das MEHR-Gelände erst, als Johannes Hartls Vortrag „Gehüllt in Roben“ bereits begonnen hatte. (Ach ja, Leser: Falls Ihr Euch Sorgen um den übellaunigen Evangelikalen mit dem Mikro macht, ja, der war auch wieder da, hatte aber, als wir an ihm vorbeikamen, gerade Kaffeepause. Muss auch mal sein.) Trotz der schlechten Erfahrungen vom Vortag steuerten wir zunächst wieder den Mutter-Kind-Raum an, um uns den Vortrag von dort aus anzuhören und währenddessen das Baby zu füttern, aber schließlich wurde der Lärm so unerträglich, dass wir in den Raum der Stille wechselten und dadurch nach dem Anfang auch den Schluss des Vortrags verpassten. Was schade war, denn das, was wir von dem Vortrag mitbekamen, war hervorragend. Na, man wird ihn ja sicherlich irgendwo „nachhören“ können.


In der Mittagspause trafen wir uns mit einigen unserer Freunde in der MEHR-Plaza zu einem recht opulenten Mahl. (Übrigens: „Blaukraut“ kennen Nordlichter wie ich unter dem Namen „Rotkohl“ – offenbar variiert in Deutschland neben vielem anderen auch die Farbwahrnehmung von Region zu Region). Der 15-Uhr-Vortrag (von dem indischen Philosophen Vishal Mangalwadi) interessierte uns nicht so brennend, daher zog sich Suse mit dem Baby erst mal in den Raum der Stille zurück und ich sah mich im MEHR-Forum um. Um 16:30 Uhr folgte dann die Heilige Messe zum Hochfest Erscheinung des Herrn – im Auditorium, mit schätzungsweise 8.000 Teilnehmern. Zelebrant war der Schweizer Jugendbischof Marian Eleganti, die Predigt hielt – sehr mitreißend – Father Mallon. An die Messe schloss sich eine erneute Pause an, die wir teils im Raum der Stille, teils im Mutter-Kind-Raum verbrachten; und dann stand – unter der Überschrift „Europe Shall be Saved“ – ein erneuter Vortrag von Johannes Hartl auf dem Programm, aber das war eigentlich gar keiner. Stattdessen rief Hartl einen Schweizer Prediger namens Jean-Luc Trachsel auf die Bühne – einen Typen, dem in Großbuchstaben „Scharlatan“ auf die Stirn tätowiert ist. Also, nicht wirklich, aber im übertragenen Sinne schon. Gruselig, wirklich. Ich kam mir vor wie 1943 im Berliner Sportpalast. Und natürlich kriegte das Baby Panik. Im Foyer trafen wir eine andere Mutter, deren Kind eine Woche älter war als unseres und dem es genauso ging. Daraus ergab sich immerhin ein nettes Gespräch, und als die Kinder sich wieder halbwegs beruhigt hatten, traten wir den Rückzug an – vorbei an der unermüdlichen Ein-Personen-Sekte, die sich darüber ereiferte, dass einige der MEHR-Besucher rauchen oder sogar Miniröcke und Strumpfhosen tragen! Das kann doch nicht gottgefällig sein, oder?


Sonntag: Bauerntanz

Nachdem die Nacht erneut nicht gerade stressfrei verlaufen war, verschliefen wir diesmal komplett und zogen daraus die Konsequenz, uns den Abschluss der Konferenz zu schenken und uns stattdessen ein bisschen die Altstadt anzuschauen. Insbesondere die Fuggerei. Wir waren uns einig: Die gäbe eine hervorragende Benedict Option-Siedlung ab! Und das Gebet für die Stifter wäre dann auch in guten Händen.

Kirche St. Markus in der Fuggerei 

Die letzte Schlacht gewinnen wir! 


Interessant, oder? 

Zum Mittagessen suchten wir das Restaurant „Bauerntanz“ auf, in dem wir auch letztes Jahr schon einmal zu Gast gewesen waren – damals als Teil einer größeren Gruppe von MEHR-Teilnehmern. Rustikale, deftige, regionale Küche, sehr freundliches Personal, was will man mehr. Abends dann – da wir es ja am Morgen nicht zur von Weihbischof Florian Wörner zelebrierten Abschlussmesse der MEHR geschafft hatten – Messe zum Fest der Taufe des Herrn in der Moritzkirche. Grauenhaft. Ein junger, arg verklemmt wirkender Diakon predigte so, dass einem schlagartig bewusst wurde, wieso wir so dringend das „Mission Manifest“ brauchen (u.a. ließ er sich wortreich darüber aus, dass Christen ihren Glauben nicht „dogmatisch“ vertreten sollten, denn das habe Jesus schließlich auch nicht getan...), und während der Wandlung blieb die ganze Gemeinde stehen. Einschließlich der Messdienerinnen, übrigens. Ich frage mich, wie man es hinkriegt, eine ganze Gemeinde derart zu versauen. Okay, die extrem unbequemen Kniebänke mögen durchaus das Ihre dazu beigetragen haben, aber das kann ja wohl nicht der einzige Grund sein.


Montag: Pizza vom Lieferservice

Die Rückreise nach Berlin gestaltete sich nicht ganz so unkompliziert, wie sie von der Papierform her eigentlich hätte sein sollen: Erst fuhr unser Zug in verkehrter Wagenreihung in den Bahnhof ein, mit dem Ergebnis, dass wir nicht zu unseren reservierten Sitzplätzen gelangen konnten, da der Gang zu schmal für den Kinderwagen war; dann wurde in Nürnberg der Zug ausgetauscht (wodurch sich allerdings das erstgenannte Problem aufhob, denn jetzt kamen wir zu unseren reservierten Sitzplätzen); und schließlich hielt der Zug außerplanmäßig gut 20 Minuten lang in Delitzsch, weil – ach, keine Ahnung warum, irgendwas ist ja immer. Jedenfalls kamen wir schließlich doch an und waren ausgesprochen froh, wieder zu Hause zu sein. Ich glaube, das Baby war auch sehr froh darüber.

Aber Kochen fiel aus. Stattdessen gab's sehr, sehr, SEHR reichlich belegte Pizza von einem bekannten Systemgastronomie-Unternehmen. Und dann ab ins Bett!


Dienstag: Rührei mit Kartoffelpü und einer Scheibe Räucherlachs

Wenn einer eine Reise tut, dann ist der Tag nach der Rückkehr ja zumeist angefüllt mit allerlei Erledigungen, die während der Abwesenheit liegen geblieben waren. So ging's uns auch. Nachdem ich diverse Päckchen aus den Niederlassungen verschiedener Versandunternehmen abgeholt hatte, übernahm Suse den Einkauf, während ich mit dem Baby Faxen machte. Beim Einräumen der Einkäufe in den Kühlschrank fiel ein Eierkarton 'runter, mit dem Ergebnis, dass einige der Eier etwas angeschlagen waren. Wir machten aus der Not eine Tugend und verbrauchten sie sofort.



In Ruhe genießen konnte ich dieses Essen leider nicht, aber diesmal war nicht das Baby schuld, sondern ein Anruf: In der örtlichen Pfarrei hat es heiße Debatten um die Frage gegeben, wie lange der Weihnachtsbaum noch in der Kirche stehen bleiben solle, und ich drohte dabei zwischen die Fronten zu geraten. Die, wenn man so will, „liturgiepolitischen“ Hintergründe dieses Streits sind mir durchaus bewusst, aber bei aller Liebe: Für mein Empfinden ist dieser Weihnachtsbaum kein Hügel, auf dem es sich zu sterben lohnt. Morgen wird er zersägt und entsorgt, basta!

Am Abend hatte Suse einen erneuten Foodsaving-Termin in einer Bäckerei; von den erbeuteten Backwaren behielten wir nur einen kleinen Teil und gaben das Meiste an unsere Kontaktperson vom Obdachlosennetzwerk weiter.


Mittwoch: Hühnerkeulen mit Pfannengemüse und (wahrscheinlich) Couscous...

...weil Suse der Appetit auf Polenta nach dem Schimmel-Desaster von letzter Woche erst mal vergangen ist!

Und das war's für diese Woche! Was habt Ihr so gegessen?




Mittwoch, 3. Januar 2018

SoulKitchen – Die neue Mittwochskolumne

Suse kocht und Tobi bloggt darüber (in Zukunft aber vielleicht auch mal umgekehrt...)

Seit Suse und ich tatsächlich so etwas wie ein Familienleben haben, haben wir immer mal wieder untereinander diskutiert, ob (und wenn ja, wie) wir nicht auch in unseren Blogs stärker unseren Alltag thematisieren sollten. Also quasi Einblicke geben in das Leben punk-affiner junger Dunkelkatholiken, oder so. Was das „Wie“ angeht, hatten (und haben) wir da ein klares Vorbild: Die US-amerikanische Bloggerin Simcha Fisher schreibt seit Menschengedenken (fast) jeden Freitag darüber, was sie ihrer großen Familie (zehn Kinder! Die beiden ältesten sind allerdings mittlerweile auf dem College) die ganze Woche über zum Abendessengekocht hat. Das lesen wir regelmäßig und finden es gar großartig. Nun haben wir zwar längst keine so große Familie, und obendrein kann das jüngste Familienmitglied noch überhaupt keine feste Nahrung zu sich nehmen, aber trotzdem haben wir uns gedacht: So was in der Art könnten wir auch machen. Und wenn wir vielleicht auch weder an die kulinarische Kreativität noch an die amüsante Erzählweise einer Simcha Fisher heranreichen, eignet sich das Thema immerhin dazu, ganz nebenbei ein bisschen Werbung für das Konzept Foodsaving/Foodsharing zu machen. Suse hat nämlich seit Kurzem ihren eigenen offiziellen Foodsaver-Ausweis – und sie wird ihn benutzen!

Dass der erste Tag, über den es etwas Interessantes zu berichten gab, ein Donnerstag war, bedingt es, dass unsere (zukünftig hoffentlich) wöchentliche Foodblog-Kolumne nun also mittwochs erscheint. Passt ja auch ganz gut, wegen Mittwochsklub und so.

Donnerstag: Steakpfanne à la Foodsaving

Gegen Mittag brach Suse zu einem Foodsaving-Einsatz in einem Biomarkt auf, derweil ich zu Hause blieb, das Baby bespaßte und, so gut das nebenbei ging, an meinem vorläufig noch hochgeheimen Buchprojekt arbeitete. Suse hatte im Vorfeld die Vermutung geäußert, ein Foodsaving-Einsatz zwischen Weihnachten und Neujahr könne sich so richtig lohnen – und diese Einschätzung erwies sich als richtig. Es war ein so prachtvoller Beutezug, dass wir, wie im Folgenden detailliert zu schildern sein wird, praktisch die ganze Woche davon essen konnten (wenn auch nicht ausschließlich davon). – An dieser Stelle eine wichtige Klarstellung: Der primäre Sinn von Foodsaving/Foodsharing ist nicht, kein Geld mehr für den eigenen Lebensmittelbedarf ausgeben zu müssen. Es soll eine gemeinnützige Arbeit im besten Sinne sein. Gleichzeitig ist es aber auch überhaupt nicht ehrenrührig, wenn der Foodsaver selbst auch etwas davon hat. Das ist dann quasi die Entlohnung für sein Engagement.

Dem reichen Beutezug entsprechend fiel das Abendessen recht lukullisch aus. Minutensteaks und Schinkenschnitzel, zusammen mit in Scheiben geschnittenen Möhren in der Pfanne gebraten; kurz vor Schluss kam noch Blumenkohl mit in die Pfanne, und zu guter Letzt eine dunkle Bratensoße. Dazu gab's Kartoffelknödel aus dem Kochbeutel; abgesehen vom Soßenbinder waren die der einzige Bestandteil dieser Mahlzeit, der nicht von der Lebensmittelrettungsaktion stammte. Sehr lecker war's – und um mindestens zwei Portionen zu viel. Wenig kochen kann meine Liebste nicht. 



Freitag: Ofenkäse mit Brokkoli und Zucchini, Brot und Schinken

Da zu der Beute aus dem Foodsaving-Einsatz beim Biomarkt auch mehrere Liter Milch gehörten, die kurz vor dem Verfallsdatum standen und verbraucht werden wollten, hatte Suse am Donnerstag zusätzlich zum Abendessen noch Eierkuchen und Milchreis zubereitet; der Milchreis wanderte erst mal ins Kühlfach, die Eierkuchen gab's zum Frühstück. Hier stammte nur die Milch von der Lebensmittelrettung; davon abgesehen gingen die letzten Eier aus unserem Kühlschrank für dieses Frühstück drauf. Mehl, Zucker und Butter hat man ja normalerweise sowieso immer da.



Der Schoko-Knusperzucker war ein (vorweihnachtliches) Geschenk.



Am Nachmittag wurde außerdem Joghurt, der ebenfalls bei der Lebensmittelrettung erbeutet worden war, vernichtet, zusammen mit Clementinen, von denen wir zwar einige selbst gekauft hatten, aber schon vor so geraumer Zeit, dass sie langsam mal dringend verbraucht werden mussten und somit irgendwie auch unter Foodsharing-Kriterien fielen. Dazu, abermals, Schoko-Knusperzucker.



Beim Abendessen stammten dann alle Zutaten vom Foodsaving, und die Zubereitung war denkbar simpel: Käse und Zucchini im Ofen gebacken, Brokkoli im Topf gedünstet, Brot (nur ein bisschen -- den Großteil des erbeuteten Brotes hatten wir weiterverteilt) und Kochschinken (ja, es war Freitag, aber immer noch Weihnachtsoktav! Unser Leben sei ein Fest!) kalt dazu. Theoretisch hätten wir anschließend auch noch die Reste vom Vortag vernichten wollen, aber nach dieser gemischten „Vorspeisen“-Platte waren wir mehr als satt... 



Samstag: Resteessen

Am Nachmittag gab's Verwandtenbesuch zwecks Baby-Angucken, und dabei kamen reichlich Kekse, Schokolade und Lebkuchen (bei Aldi nach den säkularen Weihnachtsfeiertagen zum halben Preis gekauft) auf den Tisch, mit dem Ergebnis, dass sich unser Hunger am Abend in Grenzen hielt. Aber immerhin schafften wir es diesmal, die Reste vom Donnerstag zu verbrauchen.



Sonntag: Rotes Curry mit Bulgur, Gemüsekuchen, Cevapcici mit grünen Bohnen

Zum Fest der Heiligen Familie gab's ein Menü aus mehreren Gängen, von denen die ersten beiden vom Foodsaving stammten und der letzte aus dem eigenen Gefrierfach. Ohne die Cevapcici wäre das Ganze vegetarisch gewesen (das Curry sogar vegan), aber das kann man ja nicht machen an einem Sonn- und Feiertag... 




Da das Baby gegen zehn Uhr abends friedlich einschlief, nutzten wir die Gelegenheit, ebenfalls zu einer einigermaßen zivilisierten Zeit ins Bett zu gehen. Das Mitternachts-Feuerwerk war jedoch so freundlich, uns wieder zu wecken. Toll, wie engagiert selbst in einer atheistischen Metropole wie Berlin alljährlich in das Hochfest der Gottesmutter 'reingefeiert wird...

 Montag: Tortellini in pikanter Gemüsesoße

Hochfest der Gottesmutter, wie gesagt! Heilige Messe war in unserer Kirche erst am Abend, vielleicht aus Rücksicht auf die, die den Jahreswechsel etwas zu ausgiebig gefeiert hatten. Die Hauptmahlzeit des Tages gab es bei uns dennoch erst danach: Tortellini aus dem Gefrierfach, dazu eine selbst kredenzte Soße, in der neben Mais und schwarzen Oliven auch Foodsaving-Tomaten verarbeitet wurden. 



Dienstag: Belegte Baguettes vom Foodsaving

Den Tag (bzw. Abend) hatten wir eigentlich ganz anders geplant. Es stand nämlich ein erneuter Lebensmittelrettungs-Termin an, diesmal in einer Bäckerei; und diesmal wollten wir nur einen geringen Teil der zu erwartenden Ausbeute für uns selbst behalten, zumal wir tags darauf zu verreisen planten. Aus diesem Grund hatten wir uns mit einem befreundeten Priester verabredet, der den Großteil der Backwaren für die in seiner Pfarrei betriebene Suppenküche mitnehmen wollte; bei der Gelegenheit hätten wir dann auch mit ihm zusammen zu Abend essen wollen. Suse hatte geplant, Hähnchenkeulen (vom Foodsaving im Biomarkt) mit Polenta und italienischer Gemüsepfanne aufzutischen. Dann sagte unser Priester-Freund uns jedoch ab, weil er krank war; die Hähnchenkeulen hätten wir zwar theoretisch auch ohne ihn essen können, aber die bereits ein paar Tage zuvor vorbereitete Polenta (die nur noch portionsweise in der Pfanne hätte angebraten werden sollen) war angeschimmelt. Davon abgesehen konnte Suse ihrerseits den Lebensmittelrettungs-Termin in der Bäckerei nicht absagen, womit sich nun die Frage stellte: Wohin mit den ganzen Broten und Brötchen?
Für diese Frage fand sich allerdings relativ leicht eine Lösung: Die Suppenküche des Franziskanerklosters Pankow arbeitet offenbar schon länger mit Foodsharing zusammen, und auf dem Hof der Niederlassung gibt es eine Kiste (mit Zahlenschloss!), in der man rund um die Uhr Lebensmittelspenden deponieren kann. Also teilten wir uns die Arbeit: Suse holte die Backwaren in der Bäckerei ab, und ich brachte den Großteil davon (vier handelsüblich große Einkaufstüten voll mit Brotlaiben und Brötchen) zum Franziskanerkloster. Für uns selbst behielten wir nur einige belegte Baguettes, von denen wir die am leichtesten verderblichen (z.B. mit Thunfisch und Ei) zum Abendbrot verputzten, und ein bisschen Süßgebäck für die Bahnfahrt.



Mittwoch: Mal sehen, ob wir irgendwo Sushi auftreiben können

So, und jetzt sind wir – nach einer Reise, auf der so ziemlich alles schief gegangen ist, was schiefgehen konnte (Details vielleicht ein andermal, aber vielleicht auch lieber nicht...) – in Augsburg, wo morgen die MEHR 2018 beginnt. Und haben Hunger, während zu Hause ein gut gefüllter Gefrierschrank vor sich hin träumt. Das Hotel, in dem wir einquartiert sind, scheint kein Restaurant im eigentlichen Sinne des Wortes zu haben, außerdem schläft das Baby gerade – ein Zustand, den wir nicht aufs Spiel setzen möchten. Also muss sich wohl einer von uns nach draußen wagen und irgendwo in der Nähe ein einigermaßen passables Essen zum Mitnehmen besorgen…