Dienstag, 26. Dezember 2017

Er lag in der Krippe doch seine Herrlichkeit erfüllte das All

... dieser Satz aus dem Stundenbuch ist mir schon vor Jahren beim ersten Lesen nachgegangen. Er hat sich mir eingeprägt, auch heute, wo ich nicht mehr so häufig zum Stundengebet komme bewege ich ihn oft in Kopf und Herz hin und her.

Weihnachten ist für viele Menschen ein Anlass einen Gottesdienst zu besuchen, obwohl sie sonst eher nicht in die Kirche gehen.
Damit ist eine Weinachtspredigt für einen Priester eine anspruchsvolle Sache. Und dass, obwohl die vielen zusätzlichen Messen und Anlässe die auf die normalen Aufgaben des Priesters obendrauf kommen die Weihnachtszeit besonders für Geistliche oft sehr anstrendend macht.

Was soll man den Leuten predigen, die sich von der Christmette oder dem Hochamt am 25.12. eigentlich nur eine erhebende Dekoration ihrer weihnachtlichen Feierlaune erhoffen?
Man möchte ja, dass diese Menschen doch etwas begreifen von dem unglaublichen Geschehen welches Weihnachten feiert. Dem Geschehen, dass uns errettet, ergreift, herausfordert. Dem Geschehen, mit dem es sich gemütlich zu machen eigentlich gar nicht leicht ist; zumindest nicht, wenn man es ernst nimmt.
Man möchte ja, dass die Menschen doch auch wiederkommen. Vielleicht sogar einfach mal an einem normalen Sonntag. Aber auf jeden Fall möchte man verhindern, dass sie die Messe im nächsten Jahr aus ihrem Weihnachtsprogramm streichen.

Kann man diese Ansinnen alle in einer Predigt beachten? Oder ist es vorprogrammiert, dass man dann ausweicht und lieber eine Predigt hält die auch die Weihnachtsansprache den Bundespräsidenten sein könnte; sich also einfach einreiht in die vielen Redner die Weihnachten als Anlass für einen Aufruf zu mehr Menschlichkeit, mehr Miteinander, mehr Herzenswärme ... nutzen?
Vielleicht ist es in unserer Zeit auch normal, dass man auf solche Antworten kommt, wenn man sich fragt: Weshalb ist Gott Mensch geworden? Wir sind es einfach gewohnt, alles unter dem Aspekt der Nützlichkeit zu betrachten.

Aber:
Gott IST Mensch geworden.
Ob wir eine Idee haben, warum er das gemacht hat und wozu uns das vielleicht aufrufen will ist dafür eigentlich irrelevant.
Es ist eine Realität, der wir nicht gleichgültig gegenüberstehen können, die sich aber auch nicht so einfach auflösen lässt wie uns die Botschaften von "christlichen Werten" an Weihnachten glauben machen.

Er lag in der Krippe. Er, dessen Herrlichkeit das All erfüllt.
Er lag in der Krippe und war und blieb dennoch der, von dessen Herrlichkeit das All erfüllt ist.
Gott ist auf die Welt gekommen und hat uns erlöst. Er hat die Welt zu einem Ort gemacht, an dem Gott wohnt.
Zuerst in Maria, die der erste Tabernakel der Geschichte ist; das erste irdische Gefäß, das Gott in seiner ganzen Herrlichkeit beherbergt.
Durch ihr JA wollte Gott physisch Gestalt annehmen und auf der Erde verweilen.
Wir wollen daran denken, dass die Krippe die wir betrachten dem Tabernakel verwandt ist.
 Jene Krippe in die das Kind Jesus von seiner Mutter gebettet wurde, das Kind in der Krippe der Gott der das All erfüllt; - sie war der zweite Tabernakel und der erste von Menschenhand gefertigte Gegenstand seit der Bundeslade, in dem Gott Wohnung nahm.
Die Behausungen in denen Jesus in seinem Erdenleben verweilte hatten alle eines gemeinsam was in der Krippe auf sehr schöne Weise vorausgedeutet ist: sie waren nicht von Dauer.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Gott in die Welt kam um sein Werk zu tun und sie dann wieder zu verlassen.
Zu den Aposteln sagt er: "Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt."
In der Eucharistie ist er, dessen Herrlichkeit das All erfüllt, bis heute gleichzeitig in armseligen irdischen Gefäßen gegenwärtig. So wie damals, als er in der Krippe lag.
Wie in Maria will er auch in uns Wohnung nehmen, damit wir als lebendige Tabernakel seine Herrlichkeit in die Welt tragen.
Er ist in der Welt aber nicht von der Welt. Und so sollen auch wir leben; in der Welt aber nicht von der Welt.

Donnerstag, 14. Dezember 2017

Sie wachsen so schnell

"Sie werden ja so schnell groß!"
Diese Aussage, mit einer auf ganz eigene Art verklärenden und zugleich wehmütigen Betonung, hört man oft von Frauen die das Kind bestaunen. Meist sind es Frauen die selbst schon Großeltern sind oder aber Kinder in dem entsprechenden Alter haben, so dass sie zumindest schon Oma sein könnten.

Man weiß zwar was gemeint ist und irgendwie ahnt man schon, dass da irgendwo weiter hinten solche Sachen wie nicht mehr vor der Schule geküsst werden wollen, lieber ohne Eltern Geburtstag feiern wollen und zuerst alleine Urlaub machen und dann alleine wohnen wollen drohen...
Aber man kann es sich dennoch nicht vorstellen inwieweit diese Bemerkung schon jetzt angemessen sein soll.

Bis. Ja bis. ... Heute.

Meine Tochter wird in dieser Nacht zum zweiten Mal in unserem gemeinsamen Leben nicht auf meinem Brustkorb sondern in ihrem Beistellbettchen schlafen.

Seit sie da war hat sie zuerst den ganzen Tag, dann die meiste Zeit des Tages und schließlich mindestens noch die Nächte so verbracht: auf mir, das Köpfchen leicht oberhalb meiner Brüste ruhend, die Arme mal neben Gesicht und Hinterkopf mal über meine Brüste herabhängend, die Beine angehockt auf meinem Bauch. Warm und zart schlief sie auf mir und ich schlief halb aufgesetzt auf dem Rücken in den ein ganzer Stapel Kissen gestopft war.



Nun ist sie schon 5 Zentimeter gewachsen und etwa 2000 Gramm schwerer geworden und dieser Unterschied reicht aus, um dafür zu sorgen, dass die Schwerkraft mehr Einfluss auf sie hat. So rutschte sie immer mal etwas nach unten oder zur Seite und wenn sie ihren Kopf lieber ganz auf meine linke oder rechte Brust legen wollte dann reichte die Unwucht, um sie von mir runterkullern zu lassen.
Was noch ging, da sie auf mir einfach so ruhig und friedlich geschlafen hat. Wenn sie dann im Aufwachen sich zu bewegen anfing so weckte sie mich gleich damit.
Aber schließlich reichen jetzt auch die kleinen Bewegungen die sie im Schlaf macht, um sie von mir runterrutschen zu lassen.

So kam es, dass sie gestern im Morgengrauen, ich war halb wach, von mir runter kullerte.
An sich überhaupt nicht schlimm; auf der einen Seite ist das Beistellbett und auf der anderen geht das Ehebett weiter. Wenn ich nicht eine reflexartige Bewegung gemacht hätte um sie aufzufangen. Diese ließ meinem Arm zwar nicht fix genug vorschnellen um zwischen meiner Tochter und dem Bett zu landen, wohl aber ruckartig genug um sie recht kräftig mit dem Ellenbogen am Kopf zu stoßen.

Wie anrührend es ist, wenn das kleine Wesen sofort aufhört zu schreien und ganz ruhig und zufrieden wird sobald du es in deinen Armen birgst um es zu trösten!

Wir waren natürlich beim Kinderarzt - es ist alles in Ordnung, keine Beule, keine Gehirnerschütterung, nur der Schreck...

Nun also war klar: ab jetzt schläft sie in ihrem Beistellbettchen.

Am Abend war ich ganz darauf konzentriert, sie dazu zu bringen, das Bettchen anzunehmen. Hintragen, sanftestes Ablegen, wieder aufnehmen, noch mal Fläschchen geben bis die kleinen Augen wieder zufallen, dann ganz ganz langsam das Kind so drehen, dass ich es wieder ablegen kann und sie noch langsamer auf die Matratze betten. Meine Hand unter ihrem Kopf lassen. Langsam die Hand wegziehen. Vorsichtig ihre Ärmchen durch den Schlafsack fädeln und den Reißverschluss desselben schließen. Sehen wie ich mich möglichst nahe zu ihr hin legen kann und noch mal meine Hand auf ihrer Brust ruhen lassen damit sie merkt, dass ich da bin.

Aber in der Nacht, als ich sie nach dem Füttern wieder so gegen meine Brust hielt wie ich sie auch sonst trage und sie sich mit einem kleinen Seufzer ankuschelte und merklich in einen noch etwas tieferen Schlaf fiel...

Da stand ich dann doch vor dem Beistellbettchen und vergoss eine Träne.

Sie werden ja so schnell groß!

Mittwoch, 6. Dezember 2017

Wenn das Kind schläft

In einer Facebook Gruppe für Mamas die diesen Herbst entbunden haben postete eine junge Frau ein Meme folgenden Inhalts:

"Du kannst ja schlafen wenn das Kind schläft." - Ja klar. Und ich esse wenn das Kind isst, koche wenn das Kind kocht, dusche wenn das Kind duscht und kaufe ein wenn das Kind einkauft.

Meine Tochter hat im Moment damit zu kämpfen, dass einerseits das kleine Verdauungssystem noch lange nicht ausgereift ist und andererseits Milch von Natur aus zur Schaumbildung neigt.
Auch erwitert sich ihr Blickfeld in der fünften Lebenswoche von 30 auf 75 Zentimeter und ihr Sehen wird schärfer und kontrastreicher, so dass sie die Welt ganz neu erfährt und entsprechend viel zu verarbeiten hat.

Aber wenn ich immerzu innerlich umgetrieben werde von all dem was ich noch tun muss - oder gerne tun würde denn beides fällt natürlich nicht immer zusammen - übertrage ich zusätzlich meine Unruhe auf das kleine Wesen, das weder Zeit noch Ort kennt sondern nur den Augenblick.

Stattdessen sollte ich wohl von dir lernen meine Kleine; lernen, ganz da zu sein und sonst nichts. Das ist es wohl was die Großem mühsam einüben müssen und was man Gebet nennt oder was zumindest einen Großteil dessen ausmacht was Gebet soll. Leben im Jetzt und Hier und sich vor Gottes Angesicht wissen.
Denn bevor wir dich erziehen erziehst du uns und bevor du anfangen musst zu lernen lernen wir von dir.

Ich habe vor der Geburt meines Kindes schon gewusst, dass es Quatsch ist, ein Baby z.B. zum Schlafen oder Durchschlafen erziehen zu wollen oder zu festen Essenszeiten. Ein Baby braucht die Nähe seiner Eltern, nur ein Ort wo es sie sehen, ihren Atem und Herzschlag hören und ihre Nähe spüren kann ist ein guter Ort. Ein Baby hat einen winzig kleinen Magen und Muttermilch ist schnell verdaut. Ein Baby besitzt überhaupt nicht die kognitive Fähigkeit, etwas "nur aus Jux" zu wollen was es eigentlich gar nicht braucht. All seine Bedürfnisse sind echt - und dringend.
Was ich nicht wusste war z.B., dass Babys bis zum Alter von sechs Monaten überhaupt keine Tiefschlafphase haben, da ihr kleines Gehirn darauf programmiert ist, ständig zu überwachen, dass es nicht allein gelassen wird.

Ich kann auch mal eine halbe Stunde später essen, du nicht.
Ich kann alleine einschlafen und fühle mich meist sicher ohne dem erst nachspüren zu müssen, du nicht.

Mein Kind.
Werde klar im Glauben.
Froh in der Hoffnung.
Fest in der Liebe. 

 

Montag, 18. September 2017

Es handelt sich nämlich bessüchlich der Wahlen...


Nach langer Abwesenheit haben sich bei mir verschiedene Blogideen angestaut und ich weiß eigentlich gar nicht, womit ich anangen soll...

... also mache ich einfach was ganz anderes.



Nun denn:

Aus aktuellem Anlass werde ich mir mal das Wahlprogramm der AfD ansehen.

Kann man die für eine ernsthaft wählbare Partei halten?
Das öffentliche Gebahren ihres Personals spricht dagegen und, wie ich finde, ihre Plakate auch, die ich größtenteils als Sammelplatz peinlicher Plattitüden wahrnehme.



Aber was sagt das Progamm?

Das Erste was mir auffällt ist die Aussage, die Rechtsstaatlichkeit müsse wiederhergestellt werden, und, ein Stück weiter, mit den Verträgen von Maastricht, Schengen und Lissabon sei rechtswiedrig in die Volkssouverenität eingegriffen worden.

Ähh...ja. Bin ich hier richtig? Ist das ein Parteiprogramm oder doch die Vereinssatzung der Aluhüte?
Die Staaten haben ihre Grenzhoheit keineswegs aufgegeben, wie im Weiteren die Aussage zu den o.g. Abkommen begründet wird, sondern nur die Form verändert in der sie diese wahrnehmen. Dies ist durch entsprechende Gesetze bzw. Gesetzesänderungen in den teilnehmenden Ländern geschehen; wie das für Deutschland aussieht kann man z.B. hier nachlesen.

Das Abkommen beinhaltet z.B. Zusammenarbeit der Behörden bei der Strafverfolgung sowie Einheitlichkeit bei der Ausstellung und Verweigerung von Visa für den Schengen Raum und Regelungen zu Kontrollen an dessen Außengrenzen.

Natürlich ist es ein Problem, wenn Länder die Schengen-Außengrenzen haben, z.B. illegal eingereiste einfach weiterleiten, statt sich um die entsprechenden Asylverfahren und ggf. die Abschiebung zu kümmern - sei es nun, weil aus einem der Zielländer entsprechende Signale kommen oder weil die Länder, über die die Menschen einreisen nicht über entsprechende Mittel verfügen, der Ströme Herr zu werden.

Man müsste das mal durchrechnen, ob die Kosten, die aus einer Auflösung des Schengenraumes mit Wiederaufnahme der Grenzkontrollen in jedem einzelnen Land und den Entsprechenden Verkomplizierungen von Außenandelsbeziehungen resultieren würden, tatsächlich niedriger wären als z.B. die Kosten für eine koordinierte europäische Unterstützung von Ländern mit Schengen- Außengrenzen, die diesen Ländern praktisch und effektiv ermöglicht, ihrer Verpflichtung nachzukommen...

Der Vertrag von Maastricht regelt das Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der staatlichen Souverenität seiner Mitgliedsstaaten, um nur ein Beispiel zu nennen, so, dass Beschlüsse in der Regel einstimmig gefasst sein müssen. Es kann also kein Staat in seiner Souverenität verletzt werden, indem er überstimmt wird. Dieser Grunsdatz gilt auch für die zweite Säule, die Gemeinsame Innen- und Rechtspolotik.

Das Bunsesverfassungsgericht erklärte in seinem Urteil (BVerfGE 89, 155) vom 12. Oktober 1993 die Vereinbarkeit des Vertrages mit dem Grundgesetz.

Der Vertrag von Lissabon regelt das Verhältnis der Kompetenzen von EU und Mitglietsstaaten genauer in definiert außerdem die Ziele der Union zu denen Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit gehören.
Man muss diese also keineswegs gegen die EU verteidigen, wie das Programm der AfD suggeriert.

Die genannten Verträge sind völkerrechtliche Verträge zwischen soueränen Staaten, es ist also überflüssig "Das bestehende 'Lissabon-Europa' [...] zurückzuführen zu einer Organisation von Staaten, die auf der Basis völkerrechtlicher Verträge ihre Interessen und Aufgabenwahrnehmung definieren."

Zwischenfazit.
Dem Progamm ist deutlich anzumerken, dass die AfD vor der Flüchtlingskrise eine reine Anti-EU-Partei war.


Das nächste was mir ins Auge sticht ist die Behauptung, in Deutschland habe sich eine so genannte Oligarchie herausgebildet.
Auch hier gilt: was damit eigentlich gemeint ist ist ausreichend unscharf umrissen, so dass es weder verifizier- noch falsifizierbar ist.

Die Aussage als solche und der damit verbundene argwöhnische Blick auf politische Eliten könnte auch im Progamm einer linksextremen Partei stehen, dort würde freilich in der Formulierung das Wort Kapitalismus vorkommen.


Volksentscheide nach Sschweizer Vorbild, nun ja.

Wie man den politischen Betrieb in so regelt, dass das Spannungsverhältnis zwischen Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit auf der einen und Möglichkeiten zur Kontrolle durch die Bürger auf der anderen Seite fruchtbar ausgestaltet ist, gehört zu den wichtigsten Fragen jeder demokratischen Verfassung.

Den Vorschlag zu Volksentscheiden kann man letztlich nur beurteilen, wenn man sich nicht nur die Unterschiede in den einzelnen Gesetzestexten zu Volksabstimmungen in Deutschland und der Schweiz ansieht, sondern auch vergleicht wie häufig und in was für Fragen Volksentscheide in beiden Ländern in den letzten Jahrzehnten durchgeführt wurden und wie es in den einzelnen Fällen mit der Wahlbeteiligung aussah.

Die Aussage, die CDU würde das deutsche Volk nicht für mündig halten, ist reine Rhetorik. Natürlich flirtet man hier mit dem Gefühl des 'kleinen Bürgers', es werde über seinen Kopf hinweg regiert. Der Nachweis, dass eine Reform des Rechtes zu Volksentscheiden dazu führen würde, dass man sich als Bürger nicht nur weniger machtlos fühlt sondern auch mehr Kompetenzen hat, ist auf theoretischer Ebene nur mit größerem Aufwand zu erbringen, wie ich oben bereits angedeutet habe.

Ähnliches gilt für die Aussagen zu Gewaltenteilung, Trennung von Amt und Mandat, der Macht der Parteien und der Wahl des Bundespräsidenten.

Zur Forderung der Begrenzung von Amtszeiten kann man fragen, ob es wirklich erwünscht ist, dass Politikern keine Gelegenheit gegeben wird, Professionalität zu entwickeln und ob es wirklich so sinnvoll ist, wenn die Regierung mehrheitlich von Personen gestellt wird, die aufgrund mangelnder Erfahrung nicht wissen, wie man politische Prozesse sinnvoll und effizient gestalten kann.

Das Ideal des Bürgerabgeordneten liefert ein gut klingendes Schlagwort. Man sollte jedoch beachten, dass wir nicht in einer Polis leben. Weder sind die Zahlen der zu Regierenden Meschen und die zu entscheidenen Fragen klein genug, als dass jeder da den Überblick behalten könnte, noch ist es so, dass, wie im Falle der griechischen Polis, alle Stimmberechtigten  -  in der attischen Demokratie 15-20% der Bevölkerung - den ganzen Tag Zeit haben, sich mit politischen Diskussionen zu beschäftigen. Im damaligen Gesellschaftssystem arbeiteten diese nämlich nicht, sondern hatten im wahrsten Sinne des Wortes den ganzen Tag lang nichts zu tun als denken, während die Arbeit größtenteils von Sklaven und anderen Bevölkerungsschichten ohne volle Bürgerrechte erledigt wurde.

Auch hier wird also mit Schlagworten gearbeitet, die sich einer sinnvollen Bewertung eher entziehen.

Bei der Diskussion um die europäische Währungsunion verhält es sich ähnlich; was der Euro uns kostet ist schwer zu überblicken, Noch schwerer ist es, eine realistische Prognose dazu abzugeben, was uns eine Wiedereinführung der D-Mark kosten würde.


Überhaupt stehen viele Aussagen im Programm der AfD, deren Grundlage nicht nachvollziehbar ist.
Ein Beispel dafür ist die Forderung nach "diskriminierungsfreie[m] Zugang zu ausländischen Import- und Exportmärkten für deutsche Unternehmen". Ein Nachweis, dass und inwieweit dieser zur Zeit nicht besteht wird nicht diskutuert - und ist auch kaum als möglich anzusehen.


Zur Einwanderungs- und Asylpolitik ist letztlich nicht viel zu sagen; in dem Sinne als das die Positionen hier nicht überraschen.

Die nicht verifizierte Grundthese, dass eine Gesellschaft zwangsläufig daran zerbrechen müsse, wenn es zu starke abweichende Minderheiten gibt, wäre zu diskutieren.

Die Frage nach der Stabilität unseerer Sozialsysteme ist getrennt davon zu stellen.

Einer Radikalisierung und Abschottung von Minderheiten ist es jedenfalls immer förderlich, wenn diese Minderheiten in ihrer Freiheit und ihren Rechten eingeschränkt werden.
Die Forderungen der AfD nach entsprechenden Einschränkungen und/oder Zwängen zur Integration sind daher kitisch zu sehen.


Zu bemerken ist, dass viele Einschränkungen der Religionsfreiheit die die AfD unter der Überschrift "Der Islam in Konflikt mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung" fordert auch alle anderen Religionen betreffen würden.
Dazu nur zwei Beispiele:

Das Verbot einer Verschleierung im Öffentlichen Dienst oder überhaupt in der Öffentlichkeit könnte dazu führen, dass auch Ordensfrauen ihre Tracht nicht mehr tragen können.
Nach dem Verbot von Burkinis am Strand von Cannes machte ein Immam aus Florenz auf dieses Problem aufmerksam, indem er ein entsprechendes Bild auf seiner Facebook Seite postete.

Ähnliches ließe sich über die Eheschließung sagen:
"Die AfD verlangt, eine standesamtliche Eheschließung vor jeder religiösen Trauung rechtlich wieder für verbindlich zu erklären. Religiöse Trauungen können diese staatsrechtliche Voraussetzung zur Anerkennung einer Ehe nicht ersetzen." Dies würde also auch für christliche, jüdische oder schamanische Eheschließungen gelten.
Hier handelt es sich außerdem um eine reine Scheindebatte, da man ja die eherechtlichen Vorteile sowieso nur dann genießen kann, wenn man standesamtlich verheiratet ist - diese Gängelung auf Kosten der Religionsfreiheit ist also überflüssig.
Für die Verhinderung von Kinderehen und ähnlichem sind zivilrechtliche Maßnahmen zu treffen, die letztlich unter den Schutz vor Missbrauch fallen.

Die Forderung, der Religionsausübung Schranken zu setzen wird im Text auf den Islam bezogen, enthält jedoch keine Angaben, die einen Bezug zu anderen Religionen ausschließen.
Wieso sollte man nicht mit der gleichen Argumentation z.B. Frohnleichnamsprozessionen verbieten...?


Die AfD ist nur graduell weniger christenfeindlich als islamfeindlich, man sollte sich da nicht täuschen.
Wie es mit dem Respekt vor Christlichem steht kann man z.B. an dem "Merkel-Unser" sehr gut ablesen. Immerhin das zentrale Gebet der Christenheit, das da für eine billige Verballhornung missbraucht wird.






Die AfD setzt auf eine starke Förderung konservativer Familienmodelle.
Gegen die Stärkug von Familen kann man erst mal nichts sagen; jedoch ist es auch aus christlicher Sicht nicht richtig, Familien in 'ungewöhnlichen Konstellationen' staatlicher Willkür auszusetzen.

Bei Alleinerziehenden z.B. wird vorgeschlagen, vor die Gewährung staatlicher Hilfen eine "Differenzierung, ob diese Lebenssituation schicksalhaft, durch Selbstverschulden oder auf Grund eigener Entscheidung zustande gekommen ist" zu setzen.
Aha. Wer soll das wie beurteilen? Und nach welchen Kriterien?
Wenn sich eine Mutter entscheidet, mit ihrem Kind den Partner zu verlassen, weil sie von diesem ignorant und respektlos behandelt wird - wer sagt dann, was der drei Möglichkeiten hier zutrifft? Kann ihr und dem Kind Hilfe verweigert werden mit der Begründung, es wäre nicht schlimm genug gewesen? Und: hätte sie Hife bekommen, wenn ihr Partner sie 1x öfter am Tag beschimpft hätte? Oder bräuchte sie dann ein psychologisches Gutachten welches ihr bestätigt, dass das Fortführen der Beziehung zum Kindsvater eine unzumutbare Belastung darstellen würde?


Die Konkurrenz zwischen verschiedenen Familienmodellen wird hier auf eine unangemessene und unnötige Weise forciert.





Zur Frage der Gender-Ideologie und Frühsexualisierung an Schulen kann ich nur empfehlen, mal Biologielehrer und Biologielehrerinnen zu fragen, inwieweit bestimmte Ideen denn wirklich im schulischen Unterricht ankommen.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass der Sexualkundeunterricht eher altmodisch ist, Materialien sich vornehmlich auf die Gefahren von sexuell übertragbaren Krankheiten und ungewollter Schwangerschaft konzentrieren und Aspekte von Beziehung, geschlechtlicher Identität und Verantwortung generell zu kurz kommen. In modernen Schulbüchern finden sich immer Bilder von Homo- und Heterosexuellen Paaren, meist züchtig Händchen haltend. Eine übertriebene Idealisierung von homosexueller Liebe ist mir in Schulmaterialien bisher noch nicht begegnet. Solche Materialien existieren natürlich, aber gehen Sie mal in eine beliebige Schule und fragen dort, wie häufig Lehrwerke gegen andere, neuere Materialien ausgetauscht werden...






Das christliche Gebot der Nächstenliebe gilt für alle Menschen und ist nicht an Vorraussetzungen gebunden. Daher sind viele der Ideen, wie die AfD sich die Regelung sozialstaatlicher Leistungen wünscht, nicht mit dem Christentum vereinbar.

Vom Volkswirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen ist die Finanzieung von Sozialleistungen immer problematisch - dabei geht es einerseits um Fragen der Verteilungsgerechtigkeit und andererseits um den Bezug zwischen Leistung für die und Hilfe von der Gesellschaft.
Man kann jedoch auch nicht jede Leistung in gleicher Weise messen; ein recht eingängiges Beispiel ist hier der Gesamtbereich von Kunst und Kunstschaffenden.
Die Frage nach der Verteilung von Mitteln ist außerdem auch selbst ein Kostenfaktor - je nachdem nach welchen Kriterien Mittel vergeben werden sollen, kostet es Verwaltungsaufwand, nach diesen Kriterien zu bewerten und auszuwählen. Je anfälliger für Willkür die Kirterien sind desdo höher ist außerdem die Gefahr, dass durch Widerspruch und daraus resultierende Verfahren Folgekosten entstehen.


Iniweweit z.B. ein bedingungsolses Grundeinkommen allein durch die Einsparungen an der dann nicht mehr notwengiden Verwaltung finanzierbar wäre, führt hier zu weit, berührt aber das Thema.


Die Suggestion, Sozialleistungen vorurteilsfrei zu verteilen würde das System in seiner finanziellen und sozialen Stabillität gefährden, gehört zu den stilllen Prämissen des Wahlprogramms der AfD und ist, wie alle Fälle dieser Art, bezüglich ihres Wahrheitsgehaltes nur mit sehr großem Aufwand vernünftig zu beurteilen.




Um zu beurteilen, inwieweit das Wahlprogramm der AfD jetzt besonders vernünftig oder unvernünftig ist, müsste ich es letztlich mit den Programmen anderer Parteien vergleichen.
Ich könnte mir z.B. vorstellen, dass sich die von mir wiederholt kritisierten unausgesprochenen Prämissen auch in den Programmen anderer Parteien finden. Behauptungen über den Zustand der Welt, des Landes, der Gesellschaft, die als solche weder zu be- noch zu widerlegen sind, machen wahrscheinlich alle Parteien - nur, dass diese dann eben jeweils anders aussehen.

Ich halte die impliziten Behauptungen die die AfD auf dieser Ebene macht für nicht überzeugend.
Damit ergibt sich letztlich folgendes Fazit:
Wen oder was man wählt ist möglicherweise eher davon abhängig, welche Partei ein dem eignenen ähnliches Weltbild propagiert, als davon, welche konkreten Forderungen sie dann aus diesem Weltbild ableitet.


Das Weltbild, welches sich im Programm der AfD zeigt, ist mit meinem Weltbild nicht kompatibel. Daher halte ich ihren Forderungskatalog als ganzes nicht für sinnvoll. Unabhängig davon, dass ihr Programm durchaus diskutable Einzelposten enthält, kann man diese Partei meiner Meinung nach nicht ernsthaft für wählbar halten.


Zum Titel siehe hier: http://www.textlog.de/tucholsky-besoffener-herr.html

Mittwoch, 17. Mai 2017

Brief eines vermissten Kuscheltieres



Lieber Kai!

Hier schreibt dein Hasi.
Weil ich dich ganz doll vermisse will ich dir wenigstens einen Brief schicken. Bestimmt geht es dir auch so.
Wir haben ja eine tolle Abenteuerreise gehabt! Ich hatte gar nicht gewusst, dass es so große Schiffe gibt!
Ich habe so viele bunte Bilder in meinem kleinen Kopf gehabt. Da habe ich gar nicht gemerkt, wie ihr am Terminal Steinwerder in das Auto gestiegen seid. Die ganze Zeit habe ich mir noch die großen Schiffe angeschaut. Dann wurde es Abend und plötzlich fiel mir auf, dass ich ganz alleine war. Ich habe einen mächtigen Schreck bekommen.
„Oje“, dachte ich mir, „wer soll denn jetzt auf meinen Kai aufpassen?“
Außerdem ist mir auch ein bisschen kalt geworden.
Mir wurde recht bange zumute. Dann kam ein Mann auf den Parkplatz.
„Hallo wer bist du denn?“ Hat er gesagt. Ich konnte bloß nicht antworten, sonst hätte ich ihn gleich gefragt, ob er dich gesehen hat. „Dich wird wohl jemand verloren haben.“
Bis jetzt hatte ich mir noch gar keine Gedanken darüber gemacht. Aber der Mann hatte Recht! Du wärst sonst bestimmt nicht ohne mich losgegangen.
„Nu sei man nich traurig“, brummte der Mann. „Kannst ja mit auf meine Runde kommen, dann bist du nicht so allein.“ Ich war unsicher. „Was, wenn Kai mich suchen kommt und ich dann nicht mehr da bin?“ Dachte ich. Aber inzwischen war es ganz dunkel. Ich gebe es ja nicht gerne zu, aber ich bekam ein bisschen Angst. Hier draußen so alleine zu bleiben, das wollte ich nicht.
Der Mann nahm mich mit und wir gingen um den ganzen Hafen rum. Ich konnte die vielen Schiffe aus der Nähe ansehen. Große Frachter gab es da, die sahen sehr geheimnisvoll aus so im Licht von Laternen.
„Nu komm man.“ Sagte der Mann. „Das Fundbüro hat heute schon geschlossen. Außerdem ist es bei mir zu Hause  nicht so langweilig.“ Ich fand den Mann ganz nett und irgendwie kam er mir ein bisschen einsam vor. „Vielleicht hat er überhaupt keinen kleinen Freund der auf ihn aufpasst“, dachte ich.
Wir sind ganz schön lange durch Hamburg gefahren und es war sehr aufregend. So viele Straßen und bunte Lichter! Bei dem Mann zu Hause gab es Pizza und ich musste sofort wieder an dich denken.
Der Mann hat mich auf ein gemütliches Kissen gesetzt und mir eine Kuscheldecke gegeben.
Das ist jetzt schon zwei Tage her.
Der Mann hat mir erklärt, dass das Fundbüro am Wochenende zu hat.
„Ich nehm dich mit zur Arbeit,“ hat er gesagt, „damit du dein Zuhause nicht so doll vermisst.“ Der Mann muss nämlich auch am Wochenende bei den Frachtschiffen helfen. Es war sehr spannend. Am besten hat mir das Fahren auf dem Gabelstapler gefallen.

Lieber Kai, wenn du das hier liest, bin ich vielleicht schon auf dem Weg zum Fundbüro. Ich weiß nicht so genau, wie ich zu dir zurückkommen kann. Der Mann ist sehr lieb. Er hat gesagt, wenn sich keiner meldet, darf ich bei ihm wohnen und immer mit auf dem Gabelstapler fahren. Er hat auch nette Kollegen, die haben gelacht und mich am Ohr gekrault.
Vielleicht solltest du dir jemanden suchen, der auf dich aufpassen kann bis ich wieder da bin. Bei dem Gedanken, dass du ganz alleine bist ist mir gar nicht wohl.

Liebe Grüße sendet dein Hasi!

Bild: wikimedia commons
(Namen geändert.)

Montag, 27. Februar 2017

laute Trauer

 
Am Jakobsweg. Im Leben ist eben selten was gerade.


Ein Tag von vielen Tagen dieser Art.
Ich gehe bedächtig, freue mich an meinen Schritten und an den vielen Kleinigkeiten um mich herum; der warmen Luft, den blühenden Bäumen, an meiner kraftvollen Sehnsucht und an der dunklen Liebe in mir.
Ich gehe, und zusammen mit meiner Zuversicht und Freude schwebt in mir die Gewissheit, dass ich mich ausweglos verfangen habe, Zweifel wälzen sich hin und her und Trauer und Mitgefühl, Unverständnis und Einsicht rasen über mich hinweg.
Wie kann das nur sein, wie kann das nur sein wie kann das nur sein?
Schließlich muss ich stehen bleiben, ich krümme mich. Ein undefinierbarer Laut dringt aus meiner Kehle.

Trauer war bei mir immer laut. Oder ganz und gar stumm, manchmal beides.

Es gab Zeiten, da konnte ich nichts außer Heulen.
Ich habe sie getragen.
Trauer prägt uns immer den Stempel der Ewigkeit auf.

"Andere Mütter haben auch schöne Söhne." "Du wirst über ihren Tod hinwegkommen." "Das geht vorbei."
Nein, tut es nicht.
Denn die innere Not taucht mich ganz ein, mitten bis in die Ewigkeit reicht der Riss, der durch mich hindurchgeht.

Heutzutage haben wir Menschen ein Problem mit der Endlichkeit des Lebens. Wer redet schon über den Tod? Es geht weiter, heißt es. Und damit schaffen wir uns auch ein Problem mit der Ewigkeit. Denn auch in der Ewigkeit geht es nicht einfach weiter; die Grenzen von gestern, heute und morgen gibt es dort nicht.

Momente tiefer Trauer, Momente in denen wir weder Fragen noch Antworten haben, sondern nur noch zerrissen sind, nehmen uns die vertrauten Kategorien. Heute, gestern, morgen. Aufstehen, schlafen, Karriere machen. All das bedeutet plötzlich nichts mehr.

Meine Oma erzählte mal, wie sie nur wenige Wochen nach dem Unfalltod ihres Sohnes im Baumarkt aufgehalten wurde. Sie hatte beim Bezahlen einige Gegenstände vergessen, die sie einfach in der anderen Hand gehalten hatte und nun komplimentierte man sie in das Büro des Sicherheitsdienstes, ließ sie bezahlen und die Rechtsbelehrung über die erfolgte Anzeige unterschreiben. Etwas unwichtigeres hatte es mit Sicherheit noch nie gegeben.

Man muss begreifen, dass Trauer etwas existentielles sein kann das das genze Sein des Menschen umfasst.

Frisch getrennt und in einen Kollegen verliebt der mich verarschte, während ich die Erlösung aus meiner jahrelangen Einsamkeit der unerfüllten Beziehung in ihn hineinprojizierte, war mir das Tragikkomische an meiner Situation durchaus bewusst.
Ich konnte mich aber daraus nicht befreien - ich musste es durchleben.
Eben das; etwas klar sehen, aber nicht klar handeln zu können, war Teil des tiefen Schmerzes der mich erfüllte.
Die eigene Machtlosigkeit zu spüren und plötzlich zu erfahren, dass diese umso größer ist, je existentieller das Thema was sie betrifft, ist in unserer von Leitsungsdruck und Machbarkeitswahn geprägten Welt eine ebenso existentielle Erfahrung wie der Tod selbst.
Zu erleben wie meine Gefühle eine solch irrationale und unberechenbare Macht entfalten konnten, war schön und schreklich zugleich.

Ich konnte nichts anderes tun als darauf zu vertrauen, dass ein Leben welches mich in solche Stürme führen konnte auch die Kraft haben würde, sie mich überstehen zu lassen.

Das ist der Moment, in dem ich "Ich, Hiob" sagte.

Und genau so wie es für die Trauer keine Worte gibt, sondern nur den unartikulierten Schrei, gibt es auch für den Stolz und die Freude, das überstanden zu haben, nichts als gewaltigen, wortlosen Jubel.

Es ist mehr, als nur das zu schätzen was ich habe und was ich bin. Auch mehr, als das Leben zu feiern. Denn mehr als ich jemals ersehnen konnte fand ich - nicht jenseits vom Regenbogen sondern nach durchlittener Trauer. Kein Traum, sondern Freude, die die Ewigkeit berührt.
Und so danke ich Gott für mein Leben, für meinen Mann, für mein werdendes Kind. Und für die Zeit der Trauer.

______

Dieser Blogartikel entstand als Beitrag zu der Aktion "Alle reden über Trauer".

Sonntag, 15. Januar 2017

MEHR Ankunft

Winter an einer S-Bahnstation in Berlin. Eigenes Foto.

Mit Eiskristallen im Haar, mehrmals
Komplett durchgefroren
Und unterwegs
Noch schnell
Ne akute Grippe kuriert.
Jetzt.
Raum der Stille.
Du.
Ich.
Du.
Anbetung.

Dienstag, 10. Januar 2017

Was ich gerne noch gesagt hätte

Soll ich oder soll ich nicht?
Seit dem Besuch von Valerie Schönian beim Kreis Junger Erwachsener in Friedrichshain Frage ich mich das immer mal wieder.
Es war ein schöner Abend und auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass Valerie etwas mehr mit uns ins Gespräch kommt, statt nur "Valerie und der Priester" vorzustellen, kam sie sympathisch rüber. Zu erfahren, wie es zu dem Projekt kam, wie sie da rangeht und wie es ihr damit geht, war durchaus spannend.
Es gab aber auch Momente, in denen  sich hinter einer einzelnen Äußerung von ihr solche Abgründe auftaten, dass ich echt geplättet war. Diese Momente konnten im Rahmen der Runde nicht thematisiert werden, weil wir konzeptionell nun mal die Roĺle der interessierten Zuhörer hatten und weil Valerie selbst gerade in diesen Momenten offensichtlich überhaupt nicht klar war, welch tiefgreifendes Unverständnis und welche Unkenntnis des Katholischen da aus ihr sprechen. Dazu kam, dass sie geradezu entwaffnend sympathisch war und außerdem verkündete, schon sehr viel gelernt zu haben und aus ihrer Filterbubble herausgekommen zu sein.
Diese Äußerung war übrigens meines Eindrucks nach absolut authentisch.
Umso tragikomischer, dass sie es an einem Abend an dem sich überhaupt nur an sehr wenigen Stellen ein gegenseitiger Austausch ergab schaffte, gleich vier mal totale Unkenntnis der Materie zu beweisen - bei absoluter Abwesenheit jeglichen Gespürs für die Diskrepanz ihrer Sicht der Dinge dazu wie sie gemeint sind.
Warum habe ich nicht gleich dazu gebloggt?
 Es handelt sich einfach um Beobachtungen und Anmerkungen, die ich ihr gerne persönlich gesagt hätte.
Mein Unbehagen gilt zunächst mal vor allem der Tatsache, dass es am dem Abend keinen Raum dafür gab, diese Dinge genauer mir ihr zu besprechen.
Und warum dann jetzt?
 Es handelt sich andererseits um Aspekte des Katholizismus die heute im allgemeinen nicht mehr verstanden werden, weil man sie von einem Blickwinkel aus betrachtet, mit dem man ihnen nicht gerecht werden kann.
Vor allem beobachte ich, wie katholische Laien und Amtsträger diesen Blickwinkel übernehmen ohne ihn als ideologischen Filter zu erkennen und wie dadurch auch intern das Verständnis für bestimmte Aspekte des Glaubens schwindet.


Vergleichspunkte:
Die meisten perspektivischen Schieflagen wurden sichtbar, wenn Valerie für Kirche oder kirchliches Vergleiche benutzte.
All diese Vergleiche wurden mit größter Selbstverständlichkeit geäußert. Offenbar gab es kein Bewusstsein darüber, dass diese Vergleiche selbst wesentlich mehr über die Perspektive der vergleichenden Person aussagten als über den verglichenen Gegenstand.
Die drei grandios fehlgeschlagenen Vergleiche zu denen ich hier etwas sagen will sind:
Die Kirche als Konzern. Der Weltjugendtag als Rückzugsmöglichkeit. Die Bibel als rationale Herangehensweise an den Glauben.


Die Kirche ist zwar weltumspannend, aber sie ist kein Konzern. Sie verfolgt keine wirtschaftlichen Interessen; jedenfalls nicht so wie ein Unternehmen das tut. Wirtschaftliche Erwägungen sind nur Mittel zum Zweck, haben eine dienende Funktion insofern, als dass die Kirche ihre Aufgabe nicht erfüllen kann, wenn ihr dazu die Mittel fehlen. Das Ziel der kirchlichen Aktivitäten besteht jedoch nicht in wirtschaftlichem Erfolg - ja es ist mit wirtschaftlichen Kategorien nicht fassbar. Ziel und Aufgabe der Kirche ist es, den Menschen Jesus nahezubringen. Das bedeutet konkret, dass der Glaube im Wort verkündet und in den Sakramenten vergegenwärtigt werden muss. Es bedeutet, das Ziel ist letztlich die Heiligung aller Menschen in Christus. Daher ist die Kirche eine Gemeinschaft der Heiligen, die Hüterin der Gaben des Heiligen Geistes, die Braut Christi, die Verwalterin der himmlischen Güter.
Nun ist der Vergleich besonders in Hinblick auf die überinstitutionalisierte Kirche in Deutschland dennoch nicht ganz von der Hand zu weisen. Er zeigt jedoch, dass bei der Betrachtung der Kirche eben nur die Institution gesehen wird, aber nicht die transzendentale Dimension ihrer Aufgabe und ihres Da-Seins auf der Welt.
Ja: vor allem in Deutschland ist die Kirche mit den ihr zugehörigen Organisationen ein großer Arbeitgeber. Sie setzt Gelder ein, verwaltet Vermögen und Gewinne. Doch alles was sie tut - jede Stelle, jedes Projekt, jede Spende und jedes Vorhaben muss sich am Ende an der einen Frage messen lassen: "Wie gut dient es der Verkündigung des Glaubens?"
Viele heiligmäßige Päpste, Bischöfe und Priester haben darauf hingewiesen, dass die starke Institutionalisierung der Kirche in Deutschland der Verkündigung oft eher hinderlich ist.
Die Kirche ist jedoch immer auch als Ganzes zu sehen. Zu ihr gehören nicht nur alle Ortskirchen weltweit (streitende Kirche), sondern auch die Kirchenmitglieder, die bereits gestorben sind und entweder durch die Reinigung im Fegefeuer gehen die sie auf den Himmel vorbereitet (leidende Kirche) oder bereits im Himmel sind; die Heiligen (triumphierende Kirche). In Deutschland gehören kirchliche Institutionen wie die Caritas zu den größten Arbeitgebern, aber schon im nicht allzuweit entfernten Spanien können z.B. Kleiderkammern der Caritas nur unregelmäßige Öffnungszeiten anbieten, weil sieausschließlich von Ehrenamtlichen betrieben werden während für feste Mitarbeiter kein Geld zur Verfügung steht. Dennoch ist es dieselbe eine Kirche.
Wenn man die Kirche in Deutschland leichter mit einem Wirtschaftsunternehmen vergleichen kann als mit einer Braut Christi, so ist das ein Problem.


Beim Weltjugendtag geht es nicht darum, "sich in eine Nische zurückzuziehen in der man sich nicht ständig rechtfertigen muss".
Der Weltjugendtag ist keine Nische sondern eine weltumspannende Massenveranstaltung. Er bietet wenig Rückzugsmöglichkeiten aber viel Trubel - nicht zuletzt geht es darum, den Glauben zu feiern. Das Erlebnis, die Kirche als jung und dynamisch, den Glauben als lebendig zu erleben, Freundschaften mit gleichaltrigen Glaubensgenossen aus aller Herren Länder zu schließen, gehört zu den stärksten Erfahrungen die man als jugendlicher Katholik machen kann.
Jeder Weltjugendtag ist mit einem Motto verbunden und mit einer päpstlichen Botschaft die dieses Motto ausdeutet. Dabei geht es ganz konkret um den Auftrag Christi an die jugendlichen Gläubigen, das Wort zu leben, die Sakramente zu feiern und die Liebe Gottes in Wort und Tat zu verkünden. Von daher ist jeder Weltjugendtag Sendung; Aufbruch ins Weite - und gerade kein Rückzug.
Die Initiative "Night Fever" die in Folge des Weltjugendtages 2005 offene Anbetungsnächte organisiert ist ein Beispiel. Hier werden jeweils Möglichkeiten zu Beichte und persönlichem Segen angeboten, aber auch eine Passantenpastoral die alle Menschen einlädt, Gott auf einfache Weise durch das Anzünden einer Kerze vor dem Allerheiligsten nahe zu kommen.
Auch die Jugend2000 ist hier zu nennen, die gegründet wurde, nachdem Papst Johannes Paul II bei einem Weltjugendtag gefordert hatte, die Jugendlichen müssten die Hauptdarsteller der Neuevangelisierung sein. Prayerfestivals, Gebetstreffen und andere spirituelle Angebote der Jugend 2000 ergänzen seither die ebenfalls angebotenen Reisen zum jeweiligen Weltjugendtag.
Es gibt noch viele andere Beispiele für die Kraft und Sendung des Weltjugendtages.

Die im kleinen Dorf Spoke entstandene Initiative zur Unterstützung eines brasilianischen Projektes für die Unterbringung von Straßenkindern ist eines davon.
Bei einer anderen Teilnehmerin haben Weltjugendtage das ganze Leben verändert.
Die Caritas ist ebenfalls auf den Weltjugendtagen präsent, weil hier viele Jugendliche zum persönlichen Engagement inspiriert werden.
Ein befreundeter Priester hat auf dem Weltjugendtag in Köln zur Beichte zurückgefunden und sich zum ersten Mal ernstlich der Frage nach seiner Berufung gestellt - und seine Berufung ist ganz sicher nicht die einzige die auf einem Weltjugendtag gewachsen ist.
Auch zu nennen sind die Gebetsinitiativen die die Vorbereitung jedes Weltjugendtages tragen.
Man könnte noch viel dazu sagen, doch ich möchte nun den zweiten Aspekt dieses Vergleiches ins Licht rücken.

Hier werden zwei Prämissen sichtbar.
Einerseits wird vorausgesetzt, als Katholik stünde man unter einem besonderen Rechtfertigungsdruck.
Andererseits wird davon ausgegangen, dass eben selbiger von den Betroffenen - den Katholiken - als Last empfunden würde.

Warum sollte es mich unter einen besonderen Druck setzen, einem Glauben anzuhängen, den etwa 1,2 Milliarden Menschen mit mir teilen?
Sicher - in Deutschland hat echte christliche Religiösität gleich doppelten Seltenheitswert. Nur etwa 10% der Katholiken gehen z.B. regelmäßig in die Kirche. Christliche Symbole, Bräuche und Werte sind in der Öffentlichkeit nur da präsent, wo sie erfolgreich ihres christlichen Bezuges beraubt wurden. Doch in die Rechtfertigungsecke gerät nur, wer sich hineindrängen lässt.
Wichtiger jedoch ist: da es zum Auftrag der Kirche und damit auch zum Auftrag eines jeden Gläubigen gehört, den Glauben zu verkünden, ist die Vorstellung, etwaiger Rechtfertigungsdruck könne die Katholiken stören, zumindest zu hinterfragen.
In der Tat frage ich mich manchmal, ob ich zu wenig Zeugnis gebe, da meine überwiegend nicht christlich geprägten Freunde und Verwandten das Gespräch nie auf meine Religion lenken.
Selbst noch so polemische, sachlich falsche oder übertriebene Kritik kann ja in ein gutes Gespräch münden.
Ach ja, natürlich gibt es auch die bekannten Reizthemen wie Tebartz van Elst, Hexenverfolgung, Kreuzzüge und Missbrauchsskandale. Wer mit solchen Fragen kommt und wirkliches Interesse an einer Klärung hat, hat natürlich auch ein Recht darauf, eine sinnvolle Antwort zu bekommen - und sei es nur ein Verweis auf eine Quelle, die solche teils sehr medienwirksam ausgeschlachteten Aspekte mal kritisch beleuchtet.
Für mich persönlich spielen diese Themen keine Rolle; mit der Realität der Kirche wie ich sie erlebe haben sie nichts zu tun, mit ihrem göttlichen Auftrag schon gar nicht.


 Die Bibel ist keine Apologetik. Zur Untermauerung der Aussage, dass man keinen rationalen Zugang zum Glauben hat, kann man nur dann ein Beispiel über unterschiedliches Verständnis von Bibeltexten anführen, wenn man weder weiß, was die Bibel ist, noch die Spur einer Ahnung hat, was ein rationaler Zugang zum Glauben sein könnte.

In der Bibel geht es nicht darum, ob es Gott gibt, sondern darum, wie Gott ist.

Wenn man die Bibel liest, ohne diese Prämisse zu teilen, ergeben viele der Texte darin keinen Sinn und noch weniger haben sie sinnvolle Bezüge und Zusammenhänge untereinander.

Mit der Frage, ob die Existenz Gottes auch rational erkennbar und nachvollziehbar ist, beschäftigen sich viele Theologen. Die beiden bekanntesten sind wohl Thomas von Aquin und Benedikt XVI. Mit der Frage, ob der katholische Glaube wahr ist und inwiefern man das rational begründen kann beschäftigt sich die theologische Disziplin der Apologetik.

Das Lesen der Bibel gehört zur Glaubenspraxis und dient der Vertiefung der Beziehung zu Gott und dem Verständnis, wie Gott ist und was er von mir erwartet.

Zu einer Auseinandersetzung darüber, ob man an Gott glauben sollte, taugt sie eher nicht.


Für mich ist das Fazit des Valerie Projektes, dass man über Glauben und Kirche nicht sinnvoll reden kann, wenn man seine Hausaufgaben nicht gemacht hat.
Man muss nicht unbedingt gläubig sein, aber man sollte sich zumindest bewusst machen, dass die katholische Weltanschauung auf anderen Prämissen beruht als die atheistische, agnostische oder linksliberale Weltanschauung.
Und man sollte die Dinge von der Prämisse aus durchdenken, unter der sie ihre Gütligkeit haben.

Das Tragikkomische daran ist, dass die meisten modernen Nichtgläubigen sich dessen nicht bewusst sind, dass ihre Weltsicht auch nur eine von vielen möglichen Weltanschauungen ist. Die Prämissen des eigenen Denkens und Urteilens werden nicht nur nicht hinterfragt, sondern gar nicht erst als solche wahrgenommen.

Auch wenn ich Valerie auf persönlich menschlicher Ebene sehr gut verstehen kann und ihre Reaktionen auf diese intensive Begegnung mit dem Katholizosmus von dieser Perspektive her gesehen durchaus annehmbar finde: aus Sicht journalistischer Arbeit ist es einfach unprofessionell, über Dinge ein Urteil abzugeben über die man sich, nachdem man sie nur aus der Begegnung heraus offensichtlich nicht verstehen kann, nicht weiter informiert hat.