Es war Bloggertreffen - und nach dem geselligen Abend, der der ersten Runde folgte, zog ich mich, kränkelnd, vergleichsweise früh zurück. Auf dem Weg vom Clubraum zum Zimmer bemerkte ich, dass die zum Haus gehörende Seminarkirche nicht nur direkt neben dem Gang meiner Zimmernummer liegt, sondern auch rund um die Uhr geöffnet ist.
Während ich allein in der dunklen Kirche vor dem Tabernakel kniete, nur vom Ewigen Licht beleuchtet, wütete in Paris der Terror. Ich erfuhr am nächsten Morgen davon, im Gegensatz zu einem Großteil der anderen Teilnehmer des Bloggertreffens.
Das Leid, das Gott mit uns teilte, um es von uns zu nehmen - Pieta und Kreuzweg (Ausschnitt) in der Seminarkirche |
Am nächsten Morgen brauchten wir nur wenige Sekunden, um uns zu einigen, ein Gebet für die Opfer und ihre Angehörigen in die am Abend geplante Vesper aufzunehmen.
In den Psalmen wurde Bedrängnis vor Gott getragen.
Meine Gedanken wanderten dabei spontan nach Paris, aber auch persönliche Bezüge, etwa zur Bitte des Psalmsängers: "Gib, dass mein Herz sich dem Bösen nicht zuneigt" gingen mir durch den Kopf.
Ich habe bereits sehr früh am Morgen nach den Anschlägen von Paris Mails mit Gerüchten erhalten, nach denen registrierte Flüchtlinge unter den Tätern sein sollen und war einigermaßen entsetzt, wie mit dieser Nachricht Stimmungsmache betrieben wird.
Wir stehen mit Betroffenheit da. Wir gedenken der Opfer und ihrer Angehörigen. Als Christen nehmen wir sie in unser Gebet auf.
Mehr können wir letztlich nicht tun, und die Tatsache, dass bei solchen Anschlägen oft Menschen Kerzen zum Tatort bringen, zeigt, wie groß das Bedürfnis ist, zumindest Anteilnahme zu signalisieren.
Ich muss sagen, dass bei mir ratloses Schweigen vorherrscht.
Betroffenheit macht stumm, und stumm bete ich für die Opfer und ihre Angehörigen.
Stumm breitet sich auch die Furcht in mir aus, wenn ich sehe, dass gewisse Kreise das Attentat zu weiterer Polemisierung missbrauchen.
Ich kann natürlich auch nicht beurteilen, inwieweit ein Anteil der Asylsuchenden in unserem Land gefährlich sein könnte. Dennoch ist mir klar, dass die Flüchtlige eben genau vor dem fliehen, was die Attentäter jetzt nach Paris getragen haben und scheinbar auch in Hannover zu verbreiten suchen - dem Terror des IS und dem Bürgerkrieg.
Zum Sonntag spricht Jesus im Evangelium von den Tagen der Not. Und von dem, was danach kommt.
Nicht nur der Zelebrant dachte dabei spontan an die Terrornacht von Paris, die er auch in seine Predigt einbezog.
Meine Gedanken verknoten sich an dieser Stelle.
Vom Betreiber des missio-Blogs, Johannes Seibel, gab es einige Hintergrundinformationen zum Thema bedrängte Christen im Orient.
Die Leute an der Spitze des IS, der auf eine wahhabitische Sekte zurückgeht, sind grob gesagt gegen alle. Dahinter steckt, soweit es mir aus dem Gespräch richtig im Kopf geblieben ist, neben der besonders radikalen Auslegung des Islam letztlich die Annahme, man könne und solle das Ende der Welt und damit den Sieg Gottes aktiv herbeiführen, indem man für apokalyptische Zustände sorgt.
In Bezug auf Paris kann man wohl sagen, dass es bei der momentan aufgrund der Flüchtlingskrise angespannten Lage in Europa kaum etwas effektiveres gibt, als einen als Flüchtling registrierten Terroristen bei einem Anschlag mitwirken zu lassen.
Umso wichtiger ist es, dass wir besonnnen bleiben. Viel können wir als einzelne Bürger nicht tun, aber der grassierenden Stimmungmache widerstehen und entgegenzuwirken scheint mir Pflicht jedes Einzelnen zu sein.
Machen wir uns nichts vor: Ängste und Sorgen kleinzureden ist genau so schädlich, wie diese aufzubauschen. Gerade der Eindruck, dass die Politik die Lage nicht im Griff hat, treibt so manchen wirklich nur besorgten Normalbürger in die Fänge von PEGIDA und Co. Doch das Skandieren von Sprüchen, das Verbreiten von negatien Vorurteilen und Verallgemeinerungen usw. helfen wohl kaum dabei, das Eintreten apokalyptischer Zustände zu verhindern. Brennende Heime beweisen dies eindrucksvoll.
Denken wir daran, dass alle Opfer von Gewalt zu beklagen sind; seien es nun Pariser Bürger, die einfach nur ein Café oder Konzert besucht haben, Flüchtlinge, die in einem Heim unterkommen sollten, oder Menschen, die in den Krisengebieten zu Tode kommen. Die Anschläge in Beirut mögen in unserer eurozentrischen Perspektive untergehen, doch sie stellen für die allgemeine Destabillisierung der Lage ein weit größeres Risiko dar.
Christen haben im Orient traditionell auch schon immer eine Vermittlerrolle gehabt und ihre Präsenz ist für den Frieden zwischen den verschiedenen Ethnien und Gruppen der Region vielerorts wichtig.
Was aber sagt eigentlich die Bibel zum Thema Apokalypse?
Wenn auch wir auf das Ende der Welt warten; wie ist dann die Position zur Gewalt?
Niemand kennt den Tag noch die Stunde, sondern nur der Vater, sagt Jesus im Evangelium.
Zunächst mal ist es aus christlicher Sicht schlichtweg Hybris, und damit Sünde, zu glauben, man könne auf den Lauf der Welt in diesem globalen Sinne Einfluss nehmen.
In den Evangelien und auch in Texten des Alten Testaments ist vielfach von einer Zeit der Not die Rede, oft im Zusammenhang mit Naturkatastrophen.
Doch nicht auf dem Szenario liegt der Schwerpunkt: Die Bibel ist kein Ort für Unheilsprophezeihungen.
Als Christen sollen wir keine Angst haben.
Der Gott, der nach dem christlichen Glauben am Ende der Welt wiederkommt, ist Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene.
Der, der für uns ein Leben in der Welt und den Tod auf sich genommen hat.
Der, der uns aus der Verhaftung in der Sünde befreit, und nach seiner Auferstehung versprochen hat: "Ich bin bei Euch alle Tage bis zum Ende der Welt."
Der, der uns im Sakrament der Beichte ein immerwährendes Angebot macht, uns zu bessern; zu bereuen, umzukehren, Buße zu tun.
Der, der in der Eucharistie gegenwärtig ist und im Zeichen des Brotes verweilt; sich klein macht, um uns zu stärken.
Der, der nicht nur gerecht ist, sondern auch barmherzig.
So vergleicht Jesus in Mt 24, 29-33 die Endzeit mit dem Frühling; einer Jahreszeit, die bessere Zeiten ankündigt.
Wir sollen wachsam sein, und uns weder von Panikmache noch von Trägheit verführen lassen.
Unsere Sympathie und Verbundenheit gilt den Opfern; doch wir sollen uns auch gegen den Hass auf die wirklichen oder vermeintlichen Täter wappnen.
Beim Bloggertreffen blieb Paris unterschwellig präsent, konnte die Gespräche über Bloggerthemen aber nicht verdrängen. Für mich war es, wie für viele andere, wichtig, einander kennenzulernen. Auch das gehört zum Widerstand gegen das Böse: christliche Gemeinschaft zu leben, einander auch geistlich zu stärken, sich auszutauschen und Gemeinsam zu beten.
In diesem Sinne war das Bloggertreffen ein voller Erfolg.
Ich bin froh, dabei gewesen zu sein.
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