Sonntag, 29. Mai 2016

Wen trifft man eigentlich auf dem Katholikentag?

In das Schreibcafé hatte ich meinen Schatz und unseren gemeinsamen Twitterfreund @violissimo zugegebenermaßen nur wegen fußiger Erschöpfung geschleppt. Einiges an der Wand dort fand ich sehr schön, anderes weckte in mir die Frage, ob man die Menschen nicht doch irgendwie darüber aufklären sollte, was ihr eigener Glaube bedeutet...

Was tut man eigentlich auf dem Katholikentag, und wer tut?
Für dieses Jahr hat meine Reise zu diesem Event vordergründig drei Antworten ergeben:

a) sich präsentieren und hoffen, dass möglichst viele Besucher einsehen, wie wichtig der eigene Focus für die "Kirche von heute" ist.
b) einem Journalistischen Auftrag - sei er nun selbstgewählt oder beruflicher Natur - nachgehen.
c) sich informeren oder sich austauschen.

Tatsächlich war das mein erster Besuch eines Katholikentages und ich muss sagen, dass ich nicht so wirklich zu mehr gekommen bin, als: Ich geh ma 'rum und check die Lage.

Gab es nicht auch irgendwo eine Veranstaltung zum Rosenkranz? Ach ja, aber ich hatte die schon wieder total vergessen, bevor ich losgefahren bin. Fiel mir erst wieder ein, als ich zu nächtlicher Stunde wieder zu Hause war und schon (bzw. erst, wie man hier wohl sagen muss!) im Bettchen lag.

Und in der Ausstellung Staatssicherheit und Katholische Kirche in der DDR war ich auch.

Ansonsten habe ich mich größtenteils auf der Kirchenmeile bewegt.

Bewegt? Da war doch was. Erfreulicherweise hat mein Fuß sich gut gehalten. Tatsächlich bin ich seit der Verletzung nicht so viel gelaufen wie an diesem Katholikentagssamstag.

Aber wie verarbeitet man eine Masse von Infoständen zu allen möglichen erwarteten und unerwarteten Themen, die irgendetwas mit dem katholischen Glauben zu tun haben?
Ganz ehrlich: ich habe keine Ahnung.

Möglicherweise wäre es doch besser gewesen, gezielt zu zwei bis vier Veranstaltungen zu gehen?

Nehmen wir zum Beispiel die Bistümer. Die meisten von ihnen präsentierten sich in einem bestimmten Bereich (wieso waren eigentlich die ostdeutschen Bistümer woanders?????!?!?!?).
Zu finden war da eine Mischung aus eher touristischer Herangehensweise und Mitmachangeboten mit irgendwie spiritueller Ausrichtung. Beliebt war auch, ein Besucherselfie anzubieten, was man dann um den Preis, die Rechte dem entsprechenden Bistum zur Veröffentlichung zu überlassen, auch ausgedruckt mitnehmen konnte.
So konnte man z.B. beim Stand des Bistums Essen 7 für die "Kirche der Zukunft" wichtige Aspekte auf einer Magnettafel anordnen. Warum selbiges als Motto der Dekoration ein Weltraumthema ausgewählt hatte, erschloss sich mir nicht. Ich hätte danach fragen sollen. Ob die wohl im Nachhinein noch darauf antworten? Falls ich es rausbekomme ergänze ich den Artikel.

Beim Auswählen aus den schier endlosen Optionen (es gab von jeder Farbe mehr als 10 verschiedene Klötzchen mit Begriffen) ging es mir zugegebenermaßen nur um eines: Prioritäten klären. Ich hätte statt dessen auch an die Tafel schreiben können: "Wieso bietet ihr sowas an anstelle eines 24/7-Gebetes für die Zukunft der Kirche?"

Im Zelt der nordwestlichen Bistümer bot Osnabrück eine mit Themenstickern zu beklebende Litfaßsäule an. Dazu gab es Sticker mit "Was lässt mich zu atem kommen?"  und ein Gegenstück, dessen Aufschrift ich leider vergessen habe. Sagte ich schon, dass sich auf dem Katholikentag die schwer einzuordnenden Eindrücke häuften? Zum Beispiel habe ich eben erst beim Nachschlagen begriffen, dass diese Aktion etwas mit dem im Bistum Osnabrück ausgerufenen Jahr des Aufatmens zu tun hat. Am Stand selbst habe ich einfach einen Sticker mit "eucharistische Anbetung" beschriftet und an die Litfaßsäule geklebt. Um mich herum war es irgendwie bunt. Am Nebenstand konnte man eine virtuelle Fahrradtour durch das Bistum Münster machen.
Irgendwie führen solche Ansammlungen von Infoständen bei mir immer dazu, dass ich denke, ich würde das alles lieber in Ruhe im Netz nachlesen. Infomaterial stecke ich mir folglich auch nur von Angeboten ein, von deren Existenz ich bis jetzt nichts gewusst habe.
Ein spannendes Gespräch hatte ich am Stand des Netzwerks katholischer Lesben. Bei mir persönlich muss man jetzt nicht um Verständnis für oder Akzeptanz von Lesben werben. Da meine Mutter seit 25 Jahren mit ihrer Partnerin zusammenlebt, kenne ich lesbisches Leben deutlich länger aus eingener Erfahrung als katholisches Leben. Demzufolge war mir diese Perspektive neu; ich habe da eher bei meinen Müttern und zuweilen auch bei anderen Homosexuellen um Verständnis für katholische Positionen geworben. Außerdem bin ich da als Berliner wahrscheinlich eh entspannter. Ich mein, was solls: Ein Mensch ist ein Mensch. Ein Mensch hat eine sexuelle Orientierung und die kann so oder so aussehen. Was soll das Ganze? Ein Mensch kann sündigen oder auch nicht und es kann dem einen leichter und dem anderen schwerer fallen, die Sünde zu vermeiden... Zumindest war mir bei diesem Stand, anders als bei vielen anderen, doch irgendwie klar was die hier auf dem Kirchentag wollen. Außerdem war die Frau mit der ich mich unterhalten habe mir wirklich sehr sympathisch.
Meine Idee, an den Ständen aller Bistümer die jeweiligen Mitarbeiter zum Bistumsheiligen auszuquetschen, hatte ich ebenfalls bereits vor der Abfahrt wieder vergessen. Es wäre auch zugegebenermaßen ein bisschen unfair gewesen, denn diese Aktion war schon als Idee darauf angelegt, den Leuten aufzuzeigen, dass sie gar nicht wissen, wen oder was sie da vertreten.

Aber wirklich, so eine Halle mit einer Installation zu Heiligenviten wäre doch cool. Vielleicht als Zeitstrahl zum Durchlaufen. Das wäre etwas, das man nirgends anders so leicht zu sehen bekäme. Im Gegensatz zum Tischkicker (Bistum Trier wenn ich mich recht erinnere, ich habe den Stand kaum wahrgenommen, aber das Kickern hat echt Spaß gemacht).

Womit ich - genau so unversehends wie der Tag in Leipzig zur Neige ging - denn auch direkt in mein Fazit geschlittert wäre:
Ich habe keine Ahnung, was das alles zu bedeuten hatte, ob es was zu bedeuten hatte, und inwieweit es einen (womit eigentlich?) bewegen wollte. Aber schön war es. Echt.



Nur wenige Minuten nachdem ich das Foto gemacht hatte waren auch die Ränge bis auf den letzten Platz gefüllt: die Messe (die um 18:30 in der Nikolaikirche stattfand) ist eben doch das Zentrum katholischer Glaubenspraxis.
Am Ende aber wurde der gemeinsam mit meinem Schatz verlebte Katholikentag dann doch von einem Abschluss gekrönt, der ganz eindeutig zum katholischen Leben und damit auch zu jedem Katholikentag gehören sollte:
Nightfever.
Die Messe begann um 18:30. Bereits vor Einlass warteten viele Menschen vor der Kirche, die sich dann innerhalb weniger Minuten komplett füllte.
Auch zur eucharistischen Anbetung blieben viele und viele weitere kamen im gesamten Verlauf dazu.
Während der gesamten anderthalb Stunden, die mein Liebster und ich in der Anbetung blieben, standen die Menschen Schlange, um vor dem Allerheiligsten zu knien, ein Teelicht abzustellen und einen Bibelvers zu ziehen.

Muss ich erst sagen wie entsetzt ich war, dass es im Programm bei der Suche nach "Anbetung" keine Treffer gab? Wirklich, ich verstehe das nicht. Gerade Gebetspraktiken, die eine solche Tiefe und Intimität haben sprechen die Menschen heute an. Eben weil sie nicht in die Zeit zu passen scheinen, gibt es eine Sehnsucht nach Dingen wie diesen. Was auch der von mir beobachtete Andrang bestätigt.
Vielleicht frage ich die Mitarbeiter an den Ständen auf dem nächsten Katholikentag einfach alle, was es bedeutet, bei Jesus zu sein.

In der Hoffnung auf möglichst viele Gelegenheiten, die Menschen ein bisschen darüber aufzuklären, was ihre Kirche so alles zu bieten hat.

Jedenfalls habe ich Jesus auf dem Katholikentag getroffen: in der eucharistischen Anbetung.
Nicht im Trubel.
Nicht auf dem Fahrrad.
Nicht an Ständen.

In der feierlichen Stille der Kirche kam er in mein Herz, als ich mich in den Anblick der gewandelten Hostie versenkte:

Nightfever Bonn 2008. Bearbeitet. Quelle: Wikimedia Commons

Donnerstag, 19. Mai 2016

Wo Glaube Raum gewinnt...

... gewinnen wir alles. 

document pile - Urheber: Niklas Bildhauer Quelle: Wikimedia Commons


In diesem konkreten Fall die erste Bewährung unserer Beziehung, die Hilfe einer guten Freundin, das Gefühl, unmögliches bewegen zu können, die Möglichkeit von Unter- bzw. Zwischenvermietung einer Wohnung und 6 Romanfragmente.

"Ich hab Angst." Sagte mein Schatz zu mir.
Ich hatte so etwa 6 Tage gebraucht, um zu begreifen wie viele kleine und große Ängste an meiner Idee hingen.
"Wir schaffen das. Ich bin Super Woman, ich kann das," antwortete ich jetzt, am Morgen von Tag x, "ich löse sogar Probleme die es gar nicht gibt. Und Claudia kommt direkt von Anbetung, Laudes und Messe, das ist praktisch noch viel besser, als Super Woman zu sein."

Es war nicht das erste Mal, dass ich meinen Liebsten so tiefenfrustriert erlebt habe, aber es war das erste Mal, dass ich etwas mit dem Grund dafür zu tun hatte.
Ich hatte es nämlich, als ich vorschlug, wir könnten seine Wohnung herrichten und untervermieten, nicht mitbekommen, dass er nur die Idee gut fand.
Es widerstrebt einfach meiner praktischen Veranlagung, mitanzusehen, wie für eine Wohnung Miete abgeht, die sowieso nicht zum Wohnen genutzt wird.

Die Idee hatte ich schon länger, und diese auch schon mehrmals erklärt.
Alles schick, schien mir, wir schaffen die Realisierung halt nur nicht, weil man natürlich dazu neigt, Räumaktionen dieser Art auf die lange Bank zu schieben, wenn man keinen Termin hat.
Und dann.
Ja, und dann.
Dann schuf ich Termindruck, weil ich einer Arbeitskollegin von der Sache erzählte. Ich hatte ein Gespräch mitgehört in dem es darum ging, dass eine Freundin verzweifelt eine Bleibe sucht, da sie schon seit einigen Wochen in Berlin arbeitet, aber noch keine Wohnung hat. Das war's. Wenn ich da nichts gesagt hätte, ach was rede ich! Jemand hätte da vielleicht nichts sagen können, aber garantiert nicht ich!

Man rate, wer sich nicht freute, das Problem jetzt endlich mal anpacken zu können.

Schließlich einigten wir uns auf einen Termin und riefen unsere gemeinsame Freundin Claudia zu Hilfe.

Und da war sie nun also:
Die Wohnung des Schreckens.
Na ja. Wie es eben aussieht, wenn man gleichzeitig an mehreren Schreibprojekten arbeitet, sich mit Papierkram rumschlagen muss, dessen Existenz man nicht wahr haben will, zu nichts kommt, weil man ja auch noch arbeiten muss, da der Füller zwar der beste Kumpel ist, aber nicht die Miete zahlt, und einen die Leere des Raumes ansonsten auch eh nur ankotzt.
Also. Nicht so, wie es bei mir aussieht, wenn man gleichzeitig an mehreren Schreibprojekten arbeitet, sich mit Papierkram rumschlagen muss, dessen Existenz man nicht wahr haben will, zu nichts kommt, weil man ja auch noch arbeiten muss, da der Füller zwar der beste Kumpel ist, aber nicht die Miete zahlt, und einen die Leere des Raumes ansonsten auch eh nur ankotzt.
Die Männervariante davon.

Ich schickte den Mann erst mal seine Kapitalanlagen einlösen.
So viel Euro in Pfandflaschen hat auch nicht jeder. Sehr verbunden, sie zahlten unser Mittag und das Putzzeug.
Auf dem Bett legte ich sechs Stapel an für die unterschiedlichen Sorten von Papierkram, die sich so auf dem Boden fanden, während Claudia die Küchenecke auf geradezu magische Weise schick machte und sich dann von mir ins Bad schicken ließ.
 "Wir haben beschlossen: Die Aktion heißt jetzt 'wo Glaube Raum gewinnt'!" Verkündete Claudia dem Rückkehrer. "Ja," musste ich bei Gelegenheit bestätigen, "ich hab dich noch lieb."

Wir beschlossen, die Wohnung zu malern und verabredeten ein zweites Treffen zum Fortsetzen der Aktion.

Mein Liebster war sichtlich froh, vor allem seine wieder gefundenen Romane, 5 Entwürfe in Fragmenten, freuten ihn sichtlich. Ich bekam einiges Schönes daraus zu hören, was mich wiederum anregte, mal wieder die Fragmente meines angefangenen Romans hervorzukramen.

Einfach toll.
Der Mann ist perfekt für mich.
Obwohl ich kein Ordnungsfreak bin, ist er weniger ordentlich als ich, das ist wichtig für das Überleben einer Beziehung! Und er hat mehr Bücher gelesen als ich, das ist wichtig für das Überleben meiner Beziehung!
Ich liebe ihn.
Ich glaube wir sind ein tolles Paar.