Samstag, 26. September 2015

Erkenntnis

Seit dir
weiß ich es genau:
Glück verjährt nicht.
Es wird weder langweilig
noch schal.
Die Leute
lügen einfach, vielleicht,
weil sie es sich nicht vorstellen können.
Doch:
Glücklicher sein als je denkbar war
nutzt sich nicht ab.
(Wie man ja übrigens
auch nach Jahren des Unglücks
nicht weniger Schmerz empfindes, aber das nur nebenbei.)

Das Staunen
wird geringer, weil Vertrauen wächst.
Dankbarkeit
nimmt zu.

Man wird nicht einfach
übersättigt von Freude.
Freude
berauscht, aber sie macht nicht trunken.
Freude sättigt,
aber sie macht nicht dick.

Ich entwickle
ganz neue Kapazitäten
und Kräfte,
wenn es darum geht, zu verarbeiten,
wie schön
es
ist
mit dir.

Mittwoch, 23. September 2015

Gut Fuß!

Es war einmal eines schönen Tages, als Gutfuß und Bösfuß noch Rechtsfuß und Linksfuß hießen, da waren sie beide ganz einträchtig auf demselben Fahrrad unterwegs, und immer wenn Linksfuß oben war war Rechtsfuß unten und umgekehrt.

Da sendete das Gehirn eine Gefahrenmeldung: "Achtung, drohende Kollision mit parkendem Auto, ich lenke über Schiene. Vorsicht!"

Und noch bevor Linksfuß und Rechtsfuß Hasenfüße werden konnten - BUM! TSCHAKKA! WUSCH! Kawumm und kabolz flogen sie samt Fahrrad auf den Asphalt, denn der Fahrradreifen hatte sich in der Schiene verkeilt.
Und weil das Fahrrad nach links umfiel, konnte Rechtsfuß sich vom Pedal wegstrecken in die Luft, bis er zusammen mit allem Anderen auf dem Boden landete. Aber Linksfuß erging es schlecht. Er wurde gestaucht zwischen Pedal und dem umgefallenen Bein was vom Knie aus drückte und rückte, verdreht zwischen Pedal und Straße, gequetscht zwischen Straße und Fahrrad und gezerrt und gezogen von der ganzen Bewegungsenergie, denn das alles ging sehr schnell.
Und Linksfuß wurde furchtbar böse und machte großes Aua.

Das Gehirn war erst mal verdattert und es kamen lauter Leute, die setzten alles zusammen auf eine Bank und riefen den Notarzt. Währenddessen wachte das Gehirn auf, aber nur, um laut aua zu schreien, und dann machte es noch ein bisschen Schock. Dann sortierte das Gehirn, aha, die Brille ist noch da und uns ist schon gar nicht mehr schlecht, und das Aua ist zum Glück nur am Fuß.

"Was heißt hier nur?" Dachte sich Linksfuß, denn er war ziemlich kaputt und furchtbar böse. Er wollte auch kein Eis drauf haben - das hatten die Leute vom Krankenwagen draufgetan -, weil das Gewicht vom Eis da drückte wo es kaputt war.

In der Notaufnahme gab es Schmerzmittel, intravenös, so dass das große Aua von Linksfuß beim Gehirn nicht mehr ankam, wodurch sich sofort die allgemeine Laune besserte. Nur Linksfuß war noch immer ganz kaputt und furchtbar böse.
Auf dem Röngten konnte man sehen, dass Linksfuß nicht gebrochen war. Außer am Zeh. Am Gelenk war auch was kaputt, aber wie schlimm das wirklich war war nicht zu sehen. Schließlich gibt es in so einem Fuß ja nicht nur Knochen und das was nicht nur Knochen ist kann man auf dem Röntgenbild nicht sehen.
Linksfuß bekam jedenfalls erst mal eine Schiene und das war's dann auch schon.
Aber er war immer noch furchtbar böse.

Doch außer Schmerzmittel nehmen und ihn hochlagern war erst mal nix zu machen. Das muss noch mal genauer angesehen werden, wenn es abgeschwollen ist, hieß es, und zumindest was das genauer Ansehen betraf war Linksfuß durchaus auch der Meinung, aber wie er bei dem ganzen Salat abschwellen sollte wusste er auch nicht. Also blieb er immer noch böse und wurde ein richtiger Bösfuß.
Währenddessen musste Rechtsfuß die ganze Arbeit alleine machen, zusammen mit den Armen und Schultern und Bauchmuskeln. Auf Krücken nämlich. Und weil Rechtsfuß ja nichts anderes machen konnte, als sich in sein Schicksal zu ergeben und sein Bestes zu tun, wurde er kurzerhand zum Gutfuß. Gezwungenermaßen.

Bösfuß konnte nur rumliegen oder -hängen und außerdem machte er große Panik wenn ihm jemand zu nahe kam. Und großes Aua natürlich, aber das merkte keiner mehr, denn es gab ja die Schmerztabletten.
Dann kam Bösfuß ins MRT und der ganze Salat wurde sichtbar.
Kurz gesagt, Bösfuß war nicht umsonst so furchtbar böse. Er war nämlich sehr gründlich kaputt. Eine Menge Sehnen waren gerissen, und andere waren gezerrt, und außerdem waren die Knochen innen drin geschwollen, im Knochenmark; sie waren nämlich nur man gerade so nicht gebrochen und hatten furchtbare Mühe damit gehabt.

Jedenfalls musste Bösfuß operiert werden. Wenn nämlich so sehnige Sehnen zerreißen, dann schnipsen sie weg wie Schnipsgummi und deswegen können die auch nicht wieder heilen, wenn man sie nicht wieder langzieht und zusammennäht. Und einige abgeplatze Knochenteile mussten auch wieder rangeheftet werden.
Das war ja alles ganz schön und gut, aber Bösfuß hatte in der OP viel Stress und er machte unvergleichlich großes Aua, noch viel größer als überhaupt jemals zuvor. {Also wer jemals gedacht hatte, dass eine Wurzelbehandlung mit offen liegenden Nervenenden am Zahn schlimm ist, der hat noch nie einen Knochen verschraubt bekommen.} Erst nach anderthalb Tagen beruhigte sich Bösfuß wieder soweit, dass die normalen Schmerzmittel wirkten und er stellte fest, dass man ja so eigentlich ganz hübsch und in Ruhe wieder zusammenwachsen kann.

Aber das dauert.

Und dauert...

Und dauert.

Und in all der Zeit vergaß Bösfuß vollkommen, wie man sich eigentlich so fußig bewegt und erst recht wie man geht. Und Gutfuß wurde so langsam quengelig, weil er die Nase voll davon hatte, immer alles alleine zu machen. Außerdem mochte er nicht immer so auf den Boden gepatscht werden. Zum Abrollen braucht man nämlich beide Füße.

Bösfuß heilte also so vor sich hin und wurde wieder friedlich und es brauchte bald gar keine Schmerzmittel mehr und statt dessen gab es Bewegungsübungen.

"Gut Fuß!" Sagte das Gehirn und "Nur Mut! Das wird schon!" Und ließ den Fuß vorsichtig auf und ab nicken.

Sonntag, 20. September 2015

Are we the baddies?

Meine Eindrücke vom Marsch für das Leben.


In diesem Jahr musste ich mir einen Rollstuhl vom DRK ausleihen, um teilnehmen zu können.
Normalerweise komme ich mit den Krücken zurecht - mein Fuß heilt ja nun schon lange genug vor sich hin - aber mehr als 300m am Stück ist zuviel.

Geschoben von meinem Schatz kam ich mir gleichzeitig königlich vor und fühlte mich liebevoll umsorgt, während andererseits ein Gefühl von Unselbstständigkeit nicht ausblieb.

Jedenfalls war alles noch mal extra Abenteuer. Immerhin war ja auch talk like a pirat day, Arrr.
Leinen los und ab ins stürmische Gewässer!

Schon auf dem Weg vom Hauptbahnhof zum Platz vor dem Bundeskanzleramt kamen wir, inzwischen zu viert, an einem aufgemalten Gruß der Gegendemo vorbei:
"My vagina my choice."

Sehr richtig. Wenn man sorgfältig auswählt, wen man wann an seine Vagina lässt, wird man auch nicht ungeplant schwanger. Immer noch das beste Mittel zur Vermeidung von Konfliken, die zu Abtreibung führen könnten.

Ich persönlich halte das ja für einen echten running Gag, dass die Gegendemonstranten beim Marsch für das Leben offenbar so schlecht darüber informiert sind, wofür eigentlich der Marsch für das Leben steht und  voll an der Sache vorbei argumentieren. Wie sagten sie so schön? An einer inhaltlichen Auseinandersetzung sind wir nicht interessiert. Merkt man.
Wobei man sich ja sowieso fragen kann, ob die eigentlich überhaupt bedenken, was sie da brüllen. Doch dazu später.

Voererst veranlassten mich diese Betrachtungen zu dem Kalauer, zur Vermeidung der ungewollten Passage eines ungeplanten Kindes durch die Vagina (wir erinnern uns; "My vagina my choice"), würde sich doch ein Kaiserschnitt eignen.
Immerhin kommt das tote Kind nach einer Abtreibung auch durch selbige raus, es ist also zur Wahrung der Rechte der eigenen Vagina keine geeignete Methode.

Am Platz vor dem Bundeskanzleramt wurden mein Schatz und ich durch die Absperrung auf einen Stelle direkt vorne, rechts von der Bühne, gewinkt.
Bloggerprominenz mit Rollifahrerin im Gepäck: da muss man nicht erst das Deck schrubben.

Die Stimmung war gut, als wir ankamen gab es gerade eine Darbietung des Chors Kunterbunt, ein Behindertenprojekt der Berliner Stadtmission.

Auf einigen Plakaten las man 'Inklusion statt Selektion'.
Andere zeigten Abbildungen von Kleinkindern mit Down-Syndrom oder einfach Familienszenen. Zu lesen war außerdem 'Kinder sind keine Ware', 'Willkommenskultur auch für Babys', 'Echte Männer stehen zu ihrem Kind', 'Kein Tod auf Rezept' und noch viele weitere Sprüche.

Die Rede Martin Lohmanns (hier das Video von 2014) machte deutlich, dass es um die Würde des Menschen geht und um den Respekt vor dem Menschen mit seinen Bedürfnissen, aber auch mit seiner Verantwortung.
In jedem Stadium des Lebens, ob vor der Geburt oder in Krankheit und Alter sagen wir: "Ja zu mehr Hilfe für's Leben".
In diesem Jahr betonte Martin Lohmann besonders, dass es sich um ein Ansinnen handelt, das universell ist und wendete sich damit direkt gegen die Deutung des Marsches für das Leben als Aktion "fundamentalistischer Christen" und/oder "Nazis". Wir brauchen keine Ideologie, wir sind keine Extremisten.

Man muss sich eigentlich nur mal das Handout zum Marsch für das Leben durchlesen, um zu sehen, dass es hier weder um die Favorisierung eines bestimmten Familienbildes noch um die Ächtung sexueller Freiheiten geht. Vielmehr ist das Kind im Mutterleib zu schützen, indem man der Mutter die Hilfe und Aufklärung zukommen lässt, die sie braucht, um auch schwierige Situationen durchzustehen. Wie es zu der (unerwarteten) Schwangerschaft gekommen ist, ist dabei nicht relevant und wird keiner Wertung unterzogen.

Und, anders als unsere Gegner, haben wir die Erkenntnisse moderner Medizin auf dem Schirm:
Nach der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entsteht neues menschliches Leben. Vom ersten Augenblick an ist der Chromosomensatz, 46XY/XX, vollständig und einzigartig. Haar- und Augenfarbe sind, wie viele andere Anlagen auch, bereits festgelegt, ebenso das Geschlecht. Ab der dritten Woche sind alle Organe angelegt, nur kurze Zeit später ist beim werdenden Kind Schmerzempfinden  vorhanden und das Herz beginnt zu schlagen.
Der Mensch ist Mensch, von Anfang an.
Natürlich kann ein Embryo sich nicht äußern. Aber das kann ein Baby zunächst auch nur sehr eingeschränkt und auch ein dementer Mensch kann die Fähigkeit dazu verlieren.

Wir lassen uns den schwarzen Peter nicht zuspielen. Wir sind nicht die Bösen. Wir sind gegen niemanden - übrigens auch nicht gegen Frauen, die abgetrieben haben: Angebote zur Hilfe bei Problemen nach einer Abtreibung (Post Abortion Syndrom) gibt es außerhalb von Lebensschutzverbänden überhaupt nicht.

Es geht darum, Abtreibungen zu verhindern. Nicht darum, Menschen zu be- oder verurteilen.

Zum Abschluss folgte die Mahnung, sich nicht provozieren zu lassen.
Der Marsch für das Leben ist einerseits eine Gedenkveranstaltung für vor der Geburt getötete Kinder (deshalb tragen wir Kreuze!), andererseits möchte er auf die Thematik aufmerksam machen.
Dabei geht es letztlich darum, dass die Tötung eines Menschen - egal in welcher Verkleidung sie daherkommt - niemals zu rechtfertigen ist.
Aus diesem Grund sind Abtreibungsgegner auch gegen Sterbehilfe, die letztlich eine Wiederkehr von Euthanasie darstellt oder dem zumindest den Weg bereitet.
Erwähnenswert ist an dieser Stelle der Bericht eines Betroffenen. Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch ist er ausdrücklich froh, zu leben und berichtete in einem kleinen Auftritt, dass viele Menschen mit denen er ins Gespräch kam, weil sie ebenfalls einen Sebstmordversuch überlebt hatten, das genau so sehen.

Fröhlich setzten wir uns in Bewegung.
Ich war zufrieden, dass mein Fuß inzwischen schmerzfrei und auch nicht mehr übermäßig empfindlich ist.
Das Laufen in der Menge hätte ich frisch operiert schon allein wegen der Nerven nicht ausgehalten: Auf dem Weg zu einer Kontrolluntersuchung, noch im Krankenhaus, war ich in totale Panik geraten, wenn irgendein Hindernis meinem Rollstuhl oder Fuß auch nur nahe kam. Und mit nahe meine ich an dieser Stelle 'unter 2m Abstand'.

Zunächst begegneten wir nur vereinzelten Krakeelern, Grüppchen von 5 bis 20 Leuten, die ihre Parolen brüllten und schnell passiert waren.
Irgendwer skandierte seinen Hass auf homophobe.
"Was haben die eigentlich für Probleme? Nur weil ich gegen Abtreibung bin, bin ich noch lange nicht homophob." "Doch," weiß mein Schatz, "wer gegen Abtreibung ist, ist automatisch homophob. Aber sag's nicht deiner Mutter."
Logik-fail.
Ich meine, schon allein das: Würden Schwangere die ihr Kind nicht wollen so begleitet, dass sie es zur Adoption freigeben, anstatt es abzutreiben, wäre die Familiengründung doch auch für homosexuelle Paare viel einfacher. Immerhin bleiben, speziell wenn man in-vitro-Fertillisation und Leihmutterschaft kritisch sieht, außer einer Adoption kaum Alternativen.

Unter den Linden kam der Marsch das erste Mal zum Stehen, links und rechts an der Kreuzung laute Gegendemonstranten.

"Are we the baddies?" mimte mein Schatz verschmitzt. Well, I can't see any skulls here, can you?
"Wir tragen doch nur Bilder mit Kindern drauf..."
Ganz ehrlich, wenn ich Gegendemonstrant wäre, wäre es mir peinlich, gegen wen ich da anbrülle. Eine Gruppe von Menschen mit bunten Plakaten und weißen Kreuzen, eine schweigende und teilweise singende Gruppe, eine Gruppe die sich vollkommen friedlich durch die Stadt bewegt, normal gekleidet; niemand vermummt, kein einziger Springerstiefel weit und breit, dafür junge Leute, Behinderte, viele Familien mit Kindern und Geistliche... Ich würde mich spätestens nach 10 Minuten nach Hause schleichen und hoffen, dass mich niemand gesehen hat, wie ich da die personifizierte Harmlosigkeit anbrülle.

Es ging weiter, jemand stimmte ein Lied an, wir kamen wieder zum Stehen, erfuhren, dass es Sitzblockaden gibt, die den Marsch aufhalten.
"Wir sind ein Castortransport", feixte ich.
Ich wusste ja schon immer, dass ich eine ganz besondere Ausstrahlung habe.

Am Straßenrand war eine mit Trommeln ausgestattete Gruppe von Gegendemonstranten. Die Rhythmen gingen mir durchaus in die Beine - wenn ich könnte würde ich zu sowas immer tanzen.

Die Sprüche zeigten sich weniger eingängig:

Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat.
Nun ja. Schon klar, dass die all das blöd finden. Nur irgendwie... Man muss nicht gläubig sein, um das menschliche Leben zu respektieren. Und auch mit Patriarchat hat das nichts zu tun. Der Schutz ungeborenen Lebens kann in einer patriarchalen Gesellschaft genau so schief gehen oder eben funktionieren wie in einer matriarchalen oder gleichbereichtigten. Glaubt es oder nicht; durch welche Strukturen gewährleistet wird, dass Frauen in Konfliktschwangerschaften so betreut werden, dass sie das Kind - bei Bedarf anonym und geschützt - zur Welt bringen können, ist mir egal.

Eure Kinder werden so wie wir, eure Kinder werden alle queer.
Warum auch nicht? In diesem Fall könnten sie bestimmt davon profitieren, dass ihre Großmutter in einer lesbischen Beziehung lebt. Sicherlich werden sie so oder so ihre Kämpfe mit dem modernen 'jeder darf alles immer und sofort'- Ethos haben, der den Umgang mit der menschlichen Sexualität zur Zeit bestimmt.

Gegen Macker und Rassisten, fight the power, fight the system!
Bin ich voll dafür. Ich bin eindeutig gegen jede Form von Rassismus. Und gegen Macker sowieso. Aber was wollen die dann von uns? Also hier im Marsch sind keine Vertreter der aufgezählten Personengruppen... Habt ihr euch in der Adresse geirrt?

Christen, lasst das beten sein, zieht euch Emma Goldmann rein.
Wieso? Man kann doch das eine tun und das andere nicht lassen. Wie wäre es z.B. mit folgendem Zitat:
"The ultimate end of all revolutionary social change is to establish the sanctity of human life, the dignity of man, the right of every human being to dignity and well-being." Dem stimme ich zu. Wieso seit ihr der Meinung, dass diese Aussage nicht für ungeborene Kinder gilt?
Emma Goldmann übrigens nennt die Fähigkeit, einem Kind das Leben zu schenken, das großartigste Privileg der Frau. Ebendiesen Essay, "Das Tragische an der Emanzipation der Frau", schließt sie mit einem Aufruf der ebenfalls meine volle Zustimmung findet:
"Soll die teilweise Emanzipation tatsächlich zu vollständiger und reiner Emanzipation werden, so muß aufgeräumt werden mit der lächerlichen Vorstellung, geliebt zu werden, Geliebte und Mutter zu sein, sei gleichbedeutend mit Sklave und Untertan zu sein. Es muß aufgeräumt werden mit der absurden Vorstellung des Dualismus der Geschlechter oder daß Mann und Frau Vertreter zweier feindlicher Lager seien.
Kleinlichkeit spaltet, Großzügigkeit verbindet. Laßt uns groß und großzügig sein. Laßt uns über all das Triviale das Wesentliche nicht aus den Augen verlieren. In der echten Beziehung zwischen Mann und Frau wird es keinen Sieger und keinen Besiegten geben sondern nur eines: immer wieder zu geben, um dadurch bereichert zu werden, tiefer empfinden zu können und gütiger zu werden. Dies allein kann die Leere ausfüllen, kann das Tragische an der Emanzipation der Frau ersetzen durch Glück, grenzenloses Glück."
Leute, lasst das Brüllen sein, zieht euch Emma Goldmann rein!

Schließlich geht es weiter.
Auf Höhe des Bebelplatzes treffen wir die größte Masse der Gegendemonstranten. Hasserfüllt schleudert man uns die bekannten Parolen entgegen.
Wir sind am Ende des Zuges und in einer Randposition, die ein Untertauchen in der Menge unserer Mitstreiter unmöglich macht; zumal man sich im Rollstuhl eben auch nicht mal schnell in ein Gruppe reinschieben kann. Ich finde das, so vom Sitzen aus betrachtet, durchaus beängstigend.
Vor mir werden Bannerträger angegeifert: "Euer Plakat kotzt mich sowas von an! Ihr seid zum Kotzen!" Darauf steht: "Willkommenskultur auch für Babys!"
Immer wieder hört man "Haut ab!" (Wir wären schon längst weg, wenn da nicht gewisse Sitzblockaden gewesen wären.) Und "Kein Vergeben und Vergessen, Christen haben Namen und Adressen!"

Das Gesicht einer Frau ist so verzerrt von Hass, dass es sie wirklich zur unkenntlichen Fratze verstellt.
Um Himmels Willen, seht ihr denn nicht gegen wen ihr da anbrüllt? Denke ich nur halb bewusst aber sehr erschrocken.
Nein, sie wollen es nicht sehen.
Denn sonst müssten sie sich ja schämen und das ist nicht gut für's Ego.
Außerdem will so ein Feindbild gepflegt werden. Gerade, wenn man Christen auf dem Schirm hat, sind eben größere Anstrengungen nötig, um nicht mitzubekommen, dass das größtenteils ganz passable Leute sind, und gar keine baddies.

Mittwoch, 16. September 2015

Die Lizenz zum Löten...

... erwirbt man nach einer metall- oder elektrotechnischen Ausbildung.

Aber Moment mal! Was genau soll diese Information auf einem katholischen Blog?

Das ham wa gleich:
Klar.
Das war ja unvermeidlich.
Genauer gesagt: der Unvermeidliche.
Ich kenne Peter Janssens als Verfasser und Vertoner christlicher Lieder, die sich durch theologische Fragwürdigkeit auszeichnen. Über sein gesamtes Schaffen habe ich keinen Überblick. Und, um ehrlich zu sein: das, was ich weiß, kann mein Interesse für den Mann nicht wecken. Theologische oder sachliche Fehler, die mir in seinen Liedern aufstoßen, kommentiere ich dennoch gern.
Ist das unberechtigt? Ich weiß nicht. Doch bei manchen Sachen finde ich einfach, dass man das nicht so stehen lassen kann.
Man beachte, dass ich seit Lägerem begeisterte Zeugin bei der Entstehung einer blogohistorischen NGL-Evaluation bin. Dieses Lied passt natürlich in den Kessel Rotes. Es wollte aber nicht gekocht werden, deswegen hat es mein Ohr erst in Begleitung derer die mit der Gurke tanzt verwurmt.

Zunächst mal muss man sagen, dass Wieglaf Droste in der Vorrede eine congeniale Zusammefassung meiner Wahrnehmung des Schaffens von Peter Janssens' bietet. Abgesehen davon hat man noch Zeit, auszuschalten, bevor der Ohrwurm andockt.
Der geht nich wech ich sachs euch.

Je länger der in meinem Ohr rumspukte, desto dämlicher fand ich den Text.

Ich meine, was entblödet sich der kleine Bourgeois da (ja das ist polemisch: das soll so!), die Löterin in ach so vertrautem Ton anzusingen? Ihre Arbeit sei Blödsinn? Und zwar täglich derselbe?
Aber dann trällernd rumphilosophieren: "Was hast du alles schon gelötet?" Und vom "Mehrwert deiner Arbeit" zu faseln. Der Mehrwert derselben Arbeit, die gerade eben noch mit "täglich derselbe Blödsinn" spezifiziert wurde.
Also an dem Punkt würde ich als Löterin schon mal einen Kurzschluss ins Mikrofon einbauen. Dann hat sich's mit dem Jejaule.

Ich kann's auch sachlich sagen: Bei dem Text drängt sich mir die Vermutung auf, der gute Mann singe hier von Dingen die er weder kennt noch versteht. Außerdem verärgert mich die 'das Gehalt ist zu niedrig'-Dramatik doppelt: Erstens handelt es sich um eine Unterstellung die sich leicht entlarven lässt. Zweitens nehme ich dem Peter nicht ab, dass er sich hier auf die Seite der mittellosen Malocher stellt, da er meiner Meinung nach weder das eine noch das andere war.
Zugegebenermaßen tappe ich dabei in die Falle einer Argumentation, wie sie die Eltern der Hippiegeneration wahrscheinlich verwendet hätten: "Hätten wir mit dem von euch verachteten spießigen Leben nicht das Geld erarbeitet, mit dem ihr jetzt studieren könnt, könntet ihr auch nicht singend durch die Lande ziehen."

Doch wir wollen dem armen Peterle nicht zuviel des Unrechts tun. Schließlich geht es hier um den intellektuellen  Protest gegen niedrige Löhne und miese Arbeitsbedingungen.
Wobei. 2.000 Euronen brutto passen in eine "ganz erbärmlich schmale[n] Lohntüte"?
(Ich hab das nachgesehen: Je nach Webportal wechseln die Angaben über einen durchschnittlichen Monatslohn von ca. 1200 bis 3000€.)
Ich geb's auf.
Ich werd mit dem Peter nicht grün. Nicht mal so weit, dass ich ihn versteh.
Ich weiß ja. Kiffen ist schön. Aber n bissl mehr Klarsicht hätte dem Liedermacher irgendwie gut getan.
Übrigens denke ich genau das meist bei der Begegnung mit Ultraliberalen Christen, die im 'Jesus hat nie eine Kirche gewollt'-Modus durch die Welt latschen.

...


Du kleine Löterin, Halle sechs, Platz sieben,
sag hast du mal zwei Euro für mich?
Von meinem Studium sind Schulden mir geblieben;
du bekamst Ausbildungsvergütung und ich nich!
Und du sagst mir: "Du redst Blödsinn!"
Ja, ich weiß nichts, gar nichts, von Lötzinn!

Samstag, 5. September 2015

Kirchenbau - keine Sache des eigenen Gutdünkens

Zu meinem Geburtstag erfreute mich ein Geschenk ganz besonders:
Ein Malen nach Zahlen Block für Erwachsene mit 1000 Punkten je Bild!

Wie geil ist das denn! Rief ich spontan - bis dahin hatte ich nicht gewusst, dass es sowas gibt.
Ich kann es mir also auch nicht gewünscht haben; wohl ein Fall von göttlicher Inspiration beim Geber?!
Oder einfach eine Person, die SO aufmerksam war, sich zu merken, dass ich auf sowas stehe. Immerhin kann ich es ja durchaus mal zufällig erwähnt haben. Von der Gabe, mich an alles erinnern zu können was ich jemals sagte bin ich Gott sei Dank verschont.

Ein Bild, das mir einen Gedankengang bebilderte ist dieses:


Man sehe und staune.
Kirchenbau leicht gemacht und noch dazu ganz selbst und nach eigenem Gutdünken?

Wenn man es genau bedenkt - eben nicht!
Ein sinnvolles Bild entsteht nur, wenn man sich an die vorgegebenen Punkte hält. Und diese auch noch in der richtigen Reihenfolge verbindet.
Arbeiten mehrere an einem Bild ist es außerdem sinnvoll, wenn alle dieselbe Farbe benutzen. Oder wollen Sie wissen, wie das aussehen würde, wenn die Farbe der Striche alle 100 Punkte (ein Mal je Bildübergang) wechselte?

Bei der denkenden Betrachtung dessen, was man selbst so unter Kirche versteht, scheinen immer mehr Leute dies zu vergessen. Das Resultat ist, dass sie zwar ein Bild produzieren, aber eigentlich am Ende selbst nicht mehr wissen, was es darstellen soll oder was darauf der wesentliche Aspekt ist.
Oder haben Sie sofort bei Beginn des Films erfasst, was auf dem Bild drauf ist?

Halten Sie es für einfach, ein Punktebild zu erstellen, also 1000 Punkte so auf ein Blatt zu sortieren, dass sie zum Beispiel die Sagrada Familia ergeben, wenn man sie in der richtigen Reihenfolge verbindet? Ja? Welche Reihenfolge wäre denn die, bei der gewährleistet ist, dass die kreuzenden Linien sich zu einem Bild ergänzen anstatt das, was sie darstellen sollen, zu zerstören? Welche Punkte sind unerlässlich dazu, welche zu viel? Wie kann man dem Punktezeichner helfen, bei all dem den Überblick zu behalten?

Obwohl die Komplexität der Sache leicht nachvollziehbar ist, meinen immer mehr Menschen, sie könnten all diese Fragen selbst beantworten.
Wenn man vielleicht noch anerkennt, dass die Eckpunkte dessen was Kirche ist von Jesus Christus festgelegt wurden, dann neigt man doch häufig dazu, zu glauben, man könne all dies selbst auseinandersortieren. Also: weil ich denke, dass dieses und jenes was die Kirche vorschreibt nicht biblisch, christlich oder was-weiß-ich genug sei, kann ich den Punkt ja streichen oder zumindest in den Hintergrund stellen.
Ach ja?
Glauben Sie, sie würden das Punktebild fertigstellen können, wenn die Punkte nicht durchnummeriert wären?

Für mich bedeutet das, auf die Lehre meiner Kirche zu vertrauen und auch bei Sachen, die ich nicht verstehe, davon auszugehen, dass das schon seine Ordnung haben wird und eher nach Erklärungen zu suchen und mich um Verständnis zu bemühen, als an allem herumzukritisieren.
Zum Beispiel in Enzykliken oder den Texten von Kirchenvätern nachzulesen, um mehr darüber zu erfahren, was Kirche ist, warum Kirche so oder so strukturiert ist, diese oder jene Abläufe und Regeln festlegt. Und bei Dingen, die ich nicht nachvollziehen kann, mal einen Priester zu fragen.
Es kann auch bedeuten, mein eigenes Verstehen einer Probe zu unterziehen:
Wie viele Heilige sind ebenfalls dieser Meinung?

Die Kirche ist der lebendige Leib Christi.
Sie besteht aus uns, und in diesem Sinne gestalten wir sie.
Das was wir gestalten sollen ist der Leib Christi und nicht etwa irgendwas, das uns irgendwie passend erscheint.
Wir können nicht einfach beliebig loslegen, sondern müssen uns an bestimmte Eckpunkte halten und unser Vorgehen an der Gesamtheit der Kirche - und dazu gehören eben nicht nur all unsere Mitbürger, sondern auch die Heiligen, Kirchenväter, Priester, Bischöfe und der Papst - ausrichten.

Mittwoch, 2. September 2015

Der Bauch auch

So einen lieben Schatz hab ich; von innen ist mir ganz lieblich.

Einmal, zur Nacht, nach dem Schmatz, da hör ich, o je, sein Bauch ist grummelig.
Gewittergrummelig nämlich - nicht so ganz doll, aber mummelig und schrummelig.
Und die Nacht kommt und nachtet und der Abendstern schmachtet und ich lausche und bausche meine Luft. Die Atemluft nämlich.
Aber die ist ganz ruhig und mein Schatz ist es auch.
Nur mein Herz staunt und raunt: "Hallo Bauch, merkst du's auch? Es ist doch hier gar heimelig und ich bin so glücklich und zufrieden bei dir."
Der Bauch findet das auch. Aber er ist noch etwas grummelig und mummelig und sagt: "Bloß das Gewitter hab ich nicht bestellt; weder bei dir noch in der Welt."
Das Herz sagt: "Ja aber das ist draußen und wir sind drin. Und: Das geht vorbei und wir bleiben uns."
Und außerdem bemerkt das Herz: "Gib's zu, du bist schon gar nicht mehr schrummelig."
Der Bauch findet das auch. Aber er mag keine vorlauten Organe, egal ob Herz oder Hirn, sondern er will alles lieber selber bevormunden. Deswegen sagt er: "Aber was hast du mir denn zu sagen, du Herz, wo du doch nicht mal in den gleichen Menschen eingewachsen bist?"
Das Herz sagt: "Ja aber du bist in mich eingewachsen mit dem ganzen Menschen zu dem du gehörst und das ist viel viel mehr." Und außerdem bemerkt das Herz: "Gib's zu, du bist schon gar nicht mehr mummelig."
Der Bauch findet das auch. Aber er ist noch ein bisschen grummelig und denkt: 'Wenn jetzt hier die ganzen Schmetterlinge aufwachen, dann wird es wiesel-wuselig und keiner kann mehr schlafen.' Deswegen sagt er: "Nun gib Ruh' im nu es ruft schon der Uhu!"
Das Herz lacht und ist still, denn es hat ja alles was es will. Es weiß: Morgen darf es mit allen zusammen aufstehen und den Schatz herzen und mit den Schmetterlingen scherzen. Die grummeln nicht, sondern tummeln sich im Liebestaumel.